Wie Medien gendern
Ob mit Genderstern, -Doppelpunkt oder Beidnennung, wenn Medien gendern, machen sie das auf ganz unterschiedliche Weise. Die einen lassen den Autor*innen freie Hand, die anderen beschränken das Gendern auf Produkte für die junge Zielgruppe. Die dritten formulieren so geschickt, dass der zeitgemäße Umgang mit geschlechtergerechter Sprache allenfalls positiv auffällt.
In der Genderdebatte 2020/21 ging es hoch her. Die Zeitungen waren voll mit Pro & Contra-Debatten, eine Diskussionssendung jagte die nächste. Mittlerweile ist die Aufregung abgeflaut. Die Versuchsphase ist vorbei, in den Medien wird weniger offensichtlich gegendert.
„Der gesprochene Genderstern ist selten geworden“, berichtete ZDF-Chefredakteurin Bettina Schausten im Februar 2023. „Wir wollen niemanden belehren oder erziehen. Es gibt weder das Gebot zu gendern noch das Verbot“.
Im Sommer 2023 schickte Übermedien an 62 Verantwortliche von Programmen, Sendungen, Ressorts und Medienhäusern einen Fragebogen. 22 antworteten, dass sie geschlechtergerechte Sprache nutzen, ohne Zwang und Verbot: Mal machen es „alle“, mal „Teile der Redaktion“. Die Tabelle mit den Umfrageergebnissen belegt, dass vorrangig unbemerkbar gendersensible Formulierungen Anwendung finden. In den Redaktionen hat also längst ein Sprachwandel zum Besseren stattgefunden. Darüber regt sich niemand auf. Anne Haeming notiert in ihrem Bericht: „Gerade die unbemerkbare gendersensible Sprache bleibt auch oft: unbemerkt.“
Die meisten Medien sind für ein breites Publikum gemacht – und es ist heute schon schwer genug, eine Sprache für die gesamte Leserschaft zu finden und Informationen so aufzubereiten, dass jeder und jede sie versteht. Das wird durch das Gendern nicht gerade leichter.
Alle dpa-Kolleginnen und -Kollegen sind zu besonderer Sprachsensibilität aufgerufen: Wir wollen jenen Spielraum für Gendergerechtigkeit nutzen, den uns die Sprache auch ohne besondere Schreibweisen schon jetzt lässt.
Es geht um das Signal, auch in der Sprache niemanden auszuschließen, nicht um vollständiges, ständiges Gendern. Manchmal hat man den Eindruck, unsere Kritiker warten nur darauf, dass sie endlich wieder einen Glottisschlag hören, damit sich Empörung einstellen kann.
Genderleicht.de ging im Juni 2019 online, für zweieinhalb Jahre finanziell gefördert vom Bundesfrauenministerium. Der Journalistinnenbund e. V. setzt mit dieser Website seither wichtige Impulse für das Gendern in den Medien. Wir boten und bieten praktische Tipps, gaben Interviews und wurden mit der Beratung von Redaktionen und journalistischem Nachwuchs beauftragt. Die Debatte ums Gendern in den Medien verfolgen wir weiter, publiziert über den monatlichen Newsletter.
Gesprächsstoff
Unsere Sammlung wichtiger Medienbeiträge zur laufenden Genderdebatte
Von Quarks bis Extra3
TV-Fundstücke zum Gendern im YouTube-Kanal des Journalistinnenbundes
Geschlechtergerechte Sprache im journalistischen Alltag
So halten es die Medien heute: In Radio- und Fernsehnachrichten ist oft von „Menschen“ die Rede, gemeint als geschlechtsneutraler Begriff. Substantivierte Partizipien wie Studierende, Demonstrierende und Forschende kommen ab und zu vor. Daneben sind die herkömmlichen Formulierungen Studenten, Demonstranten und Forscher, gedacht als generisches Maskulinum, weiter im Gebrauch. Zugenommen haben die Beidnennungen. Und zwar nicht nur von den journalistischen Profis. Auch die Interviewten sprechen nun öfter über „meine Kolleginnen und Kollegen“.
In dem einen oder anderen Radio- oder Fernsehsender wird spielerisch gegendert, Moderator*innen nutzen ihre sprachliche Fantasie, um ihr Publikum passend anzusprechen.
Meine Damen und Herren und alle dazwischen und außerhalb!
Zugehört: Genderfloskeln in TV und Radio
Beidnennung in ganz klassischer Formulierung
… Anlegerinnen und Anleger.
Börse vor acht (ARD)
Beidnennung beim Indefinitivpronomen
… wie die Band wirklich jede und jeden von den Sitzen reißt.
Marco Seifert, radioeins (rbb), bei Bericht über „Die Ärzte“
Beidnennung unbestimmter Artikel mit „oder“ verbinden
… ob der eine oder die andere darüber berichten kann.
Rudi Cerne, Aktenzeichen XY ungelöst (ZDF)
Das wohl stärkste Argument für mehr Geschlechtergerechtigkeit in den Medien kommt aus Artikel 3 Grundgesetz: Er hat die Gleichberechtigung von Männern und Frauen festgelegt und enthält ein Diskriminierungsverbot, ausdrücklich auch aufgrund des Geschlechts. Diese Grundsätze finden sich im Pressekodex wieder.
Zu den journalistischen Grundregeln zählt die Verpflichtung zu Sorgfalt, Ernsthaftigkeit und Wahrhaftigkeit, wie auch der Grundsatz, Diskriminierungen zu vermeiden.
Pressekodex Ziffer 1 + 12
Von diesem professionellen Anspruch im Pressekodex leitet sich die Pflicht ab, die gesamte Gesellschaft und deren vielfältige Belange im gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Geschehen angemessen und geschlechtergerecht abzubilden.
Blick zurück: Wie die Medien zum Gendern kamen
„Wir müssen über Sprache reden“, hieß es am 16.8.2018 bei Bento, das junge Online-Nachrichtenportal des Spiegel (2020 eingestellt). Die aus jungen Leuten zusammengesetzte Redaktion hatte sich daran gemacht, der männlich dominierten Standardsprache Geschlechtergerechtigkeit entgegenzusetzen. Als Methode verkündete sie sprachliche Sichtbarkeit für Frauen in Kombination mit geschlechtsneutralen Varianten; Genderzeichen wollte Bento nicht verwenden.
Ende 2018 läutete das digital ausgestrahlte Hörfunk-Programm Deutschlandfunk Nova für sich den Sprachwandel ein. Die Nachrichten gendergerecht zu formulieren, obwohl der Text kurz und inhaltlich präzise sein muss, ist eine große Herausforderung, wie Nachrichtenchefin Franzisca Zecher die ersten Erfahrungen mit geschlechtergerechter Sprache – noch ohne Genderstern – zusammenfasste.
Wir bekommen auch Mails von Leuten, die kritisieren, wenn wir nicht gendergerecht formulieren. Das finde ich auch ganz interessant. Das zeigt, was sich da verändert hat.
Was hat in den Redaktionen die Genderdebatte ausgelöst?
In der journalistischen Berichterstattung Frauen sichtbar zu machen, präzise in der Sprache zu sein und klischeefrei in der bildlichen Darstellung, ist eine seit Jahrzehnten anhaltende Forderung nach Gleichstellung. Das generische Maskulinum galt im Journalismus jeoch lange als sprachlicher Standard. Feministischer Sprachkritik wurde keine Beachtung geschenkt. Erst mit der Genderdebatte und den Forderungen nach mehr Diversität zeigte sich ein Umdenken.
In Medienhäusern begannen nach und nach Diskussionen um geschlechtergerechte Sprache, angeschoben von den Jüngsten in den Redaktionen und oft ausgebremst von den Älteren. Die Frage war: Machen wir es auch?
Impulse der Genderdebatte
2017: Das Bundesverfassungsgericht befand, dass intergeschlechtliche Personen einen eigenen Geschlechtseintrag im Personenregister haben müssen, Beschluss vom 10.10.2017.
2018: Die Rentnerin Marlies Krämer wollte von ihrer Sparkasse weiblich als Kundin bezeichnet werden. Sie verlor die Klage vor dem Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.3.2018.
2019: Die Stadtverwaltung Hannover führte den Genderstern ein und veröffentlichte ihre „Empfehlung für eine geschlechtergerechte Verwaltungssprache“, 18.1.2019.
Die Redaktionen experimentierten und verwarfen, zwei Schritte vor, drei zurück. Schließlich verfassten sie feinformulierte Erklärungen zum eigenen Umgang mit geschlechtergerechter Sprache und veröffentlichten sie: „In eigener Sache“.
Im NDR wird bereits seit 2017 auf eine geschlechtergerechte Sprache geachtet. Die Beauftragte für Gleichstellung und Diversity des NDR, Nicole Schmutte, führte dazu in vielen Redaktionen Gespräche, auch wie der Sender mehr Expertinnen in den Radio- und TV-Beiträgen zu Wort kommen lassen könnte. Im Februar 2019 veröffentlichte sie eine Broschüre mit Anregungen für einen geschlechtergerechten Sprachgebrauch und einen Diversity-Check für mehr Vielfalt im Programm.
„Beim NDR gendern wir seit zwei Jahren“
Nicole Schmutte, Gleichstellungs- und Diversitybeauftragte, im Interview (2019)
2020: Ein Berliner Radiosender prescht vor
Zum 1. September 2020 gab Radio Fritz vom rbb bekannt, dass es das Sprechen mit der Gender-Lücke zum Standard mache, als erste Nachrichtenredaktion der ARD. Selbstbewusst stellte sich Karen Schmidt, Programmchefin der Jugendwelle, dem medialen Aufruhr nach der Ankündigung.
Erstens herrscht bei unseren Hörerinnen und Hörern, die mit durchschnittlich 14 bis 29 Jahren sehr jung sind, ein größeres Bedürfnis nach Gendergerechtigkeit, auch in der Sprache. Zweitens verbreitet sich das Gendersternchen in der Schriftsprache immer mehr.
Die Anfänge des Genderns in ARD und ZDF
Der erste prominente Glottisschlag in einer Nachrichtensendung des Fernsehens kam aus dem Mund von Claus Kleber, Moderator des heute-journal. Es war spät am Sonntagabend, 5.1.2020, die Moderation zum letzten Beitrag; Kleber klang dabei recht amüsiert. ZDF-Moderator Jo Schück probierte das Sprechen mit Lücke das erste Mal am 17.1.2020 im Kulturjournal Aspekte, nachdem er sich beim Schreiben eines Buches mit geschlechtergerechter Sprache auseinandergesetzt hatte.
Anne Will testete ab Frühjahr 2020 das Gendern in ihrer ARD-Talkshow. Richtig aufgefallen ist es jedoch erst, als sie am 24.5.2020 Reiner Holznagel, den Präsidenten des Steuerzahlerbundes, fragte, ob dieser schon „Steuerzahler*innenbund“ heißen würde.
Petra Gerster begann im Herbst 2020 in der ZDF-heute-Nachrichtensendung gelegentlich zu gendern. Nach jeder Sendung erhielt die Moderatorin eine Zeitlang bis zu 60 Protestbriefe. Die beliebte Journalistin hatte auf die sprachliche Sichtbarkeit von Frauen immer schon geachtet und wurde dafür vom Journalistinnenbund mit der Hedwig-Dohm-Urkunde 2020 für ihr Lebenswerk ausgezeichnet. Bis zu ihrem Abschied in den Ruhestand moderierte Petra Gerster weiter die heute-Nachrichten mit geschlechtergerechten Formulierungen, mal deutlich, mal dezent, und wurde eine der herausragenden Befürworterinnen des Genderns im Journalismus.
„Nicht gendern ist die schlechteste Lösung“
Interview mit Jo Schück über seine erste Moderation mit Genderstern
Petra Gerster gendert jetzt
Interview zum geschlechtergerechten Sprachgebrauch in Fernsehnachrichten
Erste Gender-Versuche
Unser Video mit TV-Ausschnitten aus dem Frühjahr 2020, ein schon historisch zu nennendes Dokument der Fernsehgeschichte.
Wir Fernseh-Nachrichtenleute müssen besonders sensibel mit Sprache umgehen, weil wir genau und gleichzeitig verständlich sein müssen. Wer sich aber über ein gesprochenes Gendersternchen aufregt, kann schon nicht mehr richtig zuhören. Deshalb müssen wir sachte und kreativ vorgehen, wenn wir Frauen mehr Raum geben wollen.
Diskussionen übers Gendern in Printredaktionen
Viele Redaktionen haben über geschlechtergerechte Sprache gemeinschaftlich nachgedacht, ob und wie sie das generische Maskulinum vermeiden können – und dann diesee Haltung ihrem Publikum mitgeteilt:
Nach der Relotius-Affäre überarbeitete der SPIEGEL seine journalistischen Standards, und veröffentlichte sie zusammen mit einem Statement zur gendergerechten Sprache im Februar 2020.
Im September 2020 schlug Thomas Kaiser, Chefredakteur der Frankfurter Rundschau, seiner Redaktion die Verwendung des Gender-Doppelpunkts vor und fragte die Leserschaft, wie sie das findet.
Im Januar 2021 veröffentlichte der Berliner Tagesspiegel Leitlinien zum Gendern und bat um Reaktionen. Im November 2023 gab er in einem Update bekannt, dass er die Verwendung von Genderzeichen wieder reduziert hat.
Seit April 2021 sorgt der Bonner Generalanzeiger „fantasievoll und stilistisch flexibel“ für Geschlechtergerechtigkeit.
Im November 2021 informierte die Chrismon-Chefredakteurin Ursula Ott im Editorial kurz und knapp über die gelegentliche Verwendung des Gendersterns in ihrer Zeitschrift.
Anders sieht es bei den konservativen Medien aus. Intern werden zwar sprachliche Methoden diskutiert. Zeitungen aus dem Hause Springer oder aus der Funke-Mediengruppe lehnen Genderzeichen jedoch ab.
F.A.Z. und Die Welt machen ihre ablehnende Haltung von Anfang an deutlich. Bis heute publizieren sie immer wieder neue Artikel, die gegen das Gendern argumentieren.
Zeitenwende für die Medienwelt
Am 21.6.2021 veröffentlichten die deutschsprachigen Nachrichtenagenturen AFP, APA, dpa, epd, Keystone-sda, KNA, Reuters und SID die Vereinbarung, von nun an „diskriminierungssensibler zu schreiben und zu sprechen“. Das generische Maskulinum, das in der Nachrichtensprache noch vielfach verwendet werde, solle „schrittweise zurückgedrängt“ werden. Zur Nutzung von Genderzeichen erklärten sie, darauf noch zu verzichten und stattdessen die weitere Sprachentwicklung abzuwarten.
Das Fachmagazin journalist machte im Dezember 2021 eine Umfrage, wieweit sich Redaktionen die Mitteilung der Nachrichtenagenturen zum Vorbild nehmen. Das Ergebnis: 70 Prozent versuchen ebenfalls das generische Maskulinum zu vermeiden. 62 von 97 befragten Medien bemühen sich, „gendersensibel zu formulieren“.
Agenturen wie dpa texten jetzt sensibler
Vorbild im Nachrichtenjournalismus
Wie sich Redaktionen zum Gendern stellen
„In eigener Sache“:
Genderrichtlinien einiger Medienhäuser
- Deutschlandfunk Nova: Missionstatement
- Deutschlandradio: Geschlechter-gerechte Sprache
- NDR: Sprache schafft Bewusstsein und Bewusstsein schafft Sprache (Broschüre zum Download)
- Hessischer Rundfunk: Faire, gendergerechte Sprache im hr
- Der SPIEGEL: Die SPIEGELSTANDARDS Gendergerechte Sprache (S. 30)
- Frankfurter Rundschau: Editorial „Wie gendern?“
- Tagesspiegel: Leitlinien für geschlechter-gerechte Sprache
- Sonntagsblatt – 360° evangelisch: Wie und warum wir auf Sonntagsblatt gendern
Die Genderdebatte: „Notwendig oder nervig?“
Neben den eigenen ersten Schritten hin zu einer geschlechtergerechten Sprache eröffneten alle Medien die Debatte um die Vor- und Nachteile des Genderns, mit deutlichem Schwerpunkt zu angeblich kritischen Aspekten. Es wurde mehr polemisiert als argumentiert. Im öffentlichen Bewusstsein blieb hängen: Der Genderstern „verhunze“ die Sprache. Eine Umfrage von Infratest dimap im Auftrag der Welt am Sonntag (WamS) ergab, dass „die Deutschen“ die „Gendersprache“ zu 60 bis 80 Prozent ablehnen. Es war ein nicht repräsentatives Stimmungsbild mit falscher Fragestellung. Weitere Umfragen mit ähnlich unpräzisen Fragen und erwartbaren Ergebnissen folgten. So verfestigte sich die immer wieder kundgetane Ansicht, dass die Mehrheit der Deutschen gegen das Gendern sei.
Heftige Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk
Konservative Kreise kritisieren seit Beginn der Debatte den öffentlich-rechtlichen Rundfunk für „das Gendern“ und starten immer wieder neue Verbotsinitiativen. Bereits im Sommer 2020 wurden Mitglieder von Aufsichtsgremien von ARD, ZDF und Deutschlandradio angeschrieben, mit der Forderung, die Gendersprache müsse verschwinden.
ZDF-Intendant Thomas Bellut reagierte mit einem bei Übermedien veröffentlichten Brief. Kurz gefasst: Für die interne und externe Kommunikation des Medienhauses gibt es einen Leitfaden für geschlechtergerechte Sprache: der Genderstern kann verwendet werden.
Anders bei journalistischen Beiträgen: „Vor allem bei der gesprochenen Sprache gibt es keine Vorgaben der Geschäftsleitung. Den Redaktionen des Hauses wurde jedoch empfohlen zu diskutieren, wie eine Ansprache aller Zuschauer*innen gelingen kann und die Ansprache dabei mit Blick auf die jeweilige Zielgruppe zu wählen.“
Ähnlich wie das ZDF halten es die anderen Sendeanstalten und weitere Medienhäuser, nachlesbar in diesem Überblick von 2021. Intern wurde viel diskutiert und ausprobiert. Mittlerweile ist das Sprechen mit der Minilücke und das Schreiben mit Genderzeichen fast nur noch in journalistischen Produkten für die junge Zielgruppe zu hören und zu lesen.
Sprache ist ja etwas ganz Persönliches und wir wollen so sprechen wie unser Publikum. Und wenn wir feststellen, dass diese Sprechlücke abgelehnt wird, dann empfehlen wir auch, darauf zu verzichten.
Im Herbst 2022 wollte der WDR ebenfalls mit einer Infratest-dimap-Umfrage herausfinden, welche Gendertechnik beim Publikum gut ankommt. Hier war die Fragestellung wesentlich präziser. Ergebnis: Zwei Drittel der Befragten sind für die Beidnennung, andere Formen des Genderns werden weniger akzeptiert. Dieses Ergebnis bestätigt, was in den Sendungen für ein breites Publikum heute zu hören ist: Sehr viel öfter als früher werden Männer und Frauen benannt. Auch das ist ein Ergebnis der Genderdebatte.
Zum Weiterlesen:
Warum nehmen viele Medien den Gender-Doppelpunkt?
Der auffällige Genderstern wird oft als Fremdkörper empfunden, so jedenfalls das häufig geäußerte Feedback, auch in Umfragen. Daraus folgte die Idee, dass ein Doppelpunkt harmonischer für das Schriftbild sei, er fällt weniger auf. Weil das Satzzeichen von Screenreadern nicht vorgelesen wird, entwickelte sich der Mythos, der Doppelpunkt sei barrierearm. Medien, die sich fürs Gendern entschieden, wählten deshalb zumeist den Doppelpunkt als Genderzeichen.
Zu wenig bekannt ist die Studie von Dr. Stefanie Koehler, Hochschule Koblenz, die sie 2021 im Auftrag der Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit von Informationstechnik (BFIT-Bund) durchführte. Sie überprüfte zunächst die technische Barrierefreiheit von Screenreadern und Braillezeile. Dies ergab: Der Genderstern ist hinsichtlich Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit und Verständlichkeit etwa besser geeignet.
Die Autorin fragte auch Betroffene, Menschen mit Behinderung und aus der queeren Community. Hier ergab sich ein deutliches Votum für den Genderstern. Kurz gefaßt: Für Blinde und stark Sehbehinderte ist er besser wahrnehmbar, und nur der Stern mit seinen Strahlen symbolisiert die geschlechtliche Vielfalt. Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband bittet allerdings um sparsamen Gebrauch. Denn keines der Genderzeichen ist barrierefrei.
Tipps für barrierefreies Gendern
Was soll ich beachten?
Gendern im Journalismus? Klar geht das!
„Die Überschriften werden durchs Gendern länger.“
Gunda M., Textchefin einer Tageszeitung
Das stimmt, wenn Sie mit Beidnennungen arbeiten. Lassen Sie die Personen weg und denken Sie sich eine knackigere Überschrift aus.
„In unserer Redaktion ist das generische Maskulinum Pflicht.“
Petra K., Redakteurin im Wirtschaftsresort
Wie wäre es, wenn Sie die angeblich geschlechtsneutrale Personenbetitelung vermeiden? Schreiben Sie ihre Texte so, dass Sie Tätigkeiten beschreiben. Arbeiten Sie mit Relativsätzen. Nutzen Sie Ihre Lust am Formulieren.
„Gendersternchen mögen unsere Leser nicht.“
Kevin P., Abteilungsleiter Nachrichten
Geschlechtergerecht schreiben geht auch ohne Wortzusätze. Schreiben Sie über Männer und Frauen und über alle Geschlechter, wo es notwendig und richtig ist. Das Gendersternchen sollte zum Medium und zur Zielgruppe passen.
So können Sie gendersensibel in Ihrem Medium arbeiten
Ob Radio oder Podcast, Print oder Online, TV oder sonstige Videoformate, von der Nachricht über den Beitrag bis hin zu Feature und Glosse: Alles was Sie für Geschlechtergerechtigkeit in Ihrem journalistischen Produkt benötigen, ist ein wenig Grundwissen zum Gendern und Ihr Können im kreativen Umgang mit der Sprache.
Es beginnt mit der Recherche
Schon bei den ersten Überlegungen – mit wem will ich sprechen, wer hat Expertise, wie mache ich mein Konzept – können Sie gendersensibel arbeiten und in jeder Phase Ihrer Medienproduktion fortsetzen.
- Arbeiten Sie kreativ und situativ genau mit Sprache.
- Achten sie auf geschlechtergerechte Bildgestaltung.
- Testen Sie die Perspektive eines anderen Geschlechts.
- Prüfen Sie den gleichwertigen Anteil der Beteiligten.
- Hinterfragen Sie sprachliche und bildliche Rollenklischees.
Schreibarbeit vom Feinsten
Wörter im generischen Maskulinum mit Sternchen dekorieren, das ist viel zu einfach. Mit ein wenig Textarbeit gelingen elegante und gendersensible Beiträge. Beim Schreiben haben Sie Zeit zum Nachdenken: Sie können an Ihren Worten feilen. Mit etwas Übung geht das leicht von der Hand. Sie meinen, Gendern plustert den Text auf? Dann suchen Sie nach anderen Formulierungen, die die Sache auf den Punkt bringen. Der Text wird kürzer, versprochen.
Formulieren Sie präzise
Waren wirklich nur Demonstranten auf der Straße, haben Sie also eine reine Männerdemo gesehen? Schreiben Sie: Demonstrierende, damit sind alle gemeint.
Waren ausschließlich Ärzte am Unfallort? Richtiger ist es, die Beteiligten exakt zu beschreiben: Geschlechtsneutral könnten Sie vom Notfallteam reden. Situativ korrekt ginge es weiter: „Eine Ärztin und zwei Sanitäter versorgten die Unfallopfer …“
Journalistisches Gendern
Profitipps zum sensiblen Schreiben
Methode Genderleicht
Mit sieben einfachen Schritten gelingt’s
Gendern im Radio
Wenn Sie fürs Radio arbeiten, sind Sie es gewöhnt, in einer aktiven, lebendigen und lebensnahen Sprache zu kommunizieren. Sie sind Profi darin, komplexe Sachverhalte auf kreative Weise einfach und verständlich zu formulieren. Bei direkter Ansprache beispielsweise müssen Sie nicht mal gendern. Eine Sprache zu verwenden, die niemanden ausschließt und wirklich alle mitnimmt, ist für Sie ein Klacks! Nicht viel mehr meint Gendern im Radio.
Blogserie: Vielfalt on Air
Zehn Tipps fürs Gendern im Radio
Blogserie: Vielfalt on Air
Radioprofis zu Motiven und Möglichkeiten
Gendern im Fernsehen
Fürs Fernsehen zu texten, bedeutet, die Worte müssen zu den Bildern passen, und das Ganze auch noch schön kurz. Lassen Sie genug Sprechzeit für Beidnennungen, kürzen Sie lieber überflüssige Formulierungen. Wenn der Satz nur gehetzt gesprochen werden kann, entfällt erfahrungsgemäß die weibliche Form. Setzen Sie sich bei der Textabnahme dafür ein, dass in der Vertonung beides gesprochen wird. Das generische Maskulinum ist zwar kurz. Wenn Frauen im Bild sind, erzeugt es jedoch eine Text-Bildschere. Alternativ texten Sie ohne Personenbezeichnung. Geht meistens prima.
Blogserie: Gendern im Fernsehen
Recherche und Dreh – so geht’s
Blogserie: Gendern im Fernsehen
Gleichberechtigung und Freiheit von Diskriminierung stehen als fundamentale Prinzipien im Grundgesetz.