Textlabor #11
Die richtige Anrede
Immer wieder erreichen uns Zuschriften, die nach einer angemessenen Anrede fragen. Für den geschäftlichen Brief haben wir die Frage in Textlabor #8 mit der Formulierung „Guten Tag, Toni Müller“ beantwortet. Was aber lässt sich schreiben,
… wenn die Anrede alle Geschlechter ansprechen soll, dabei weder formell noch flapsig, in jedem Fall aber kurz und knapp sein soll?
Bei der Frage ging es um eine konkrete Einladung. Gefragt wurde auch nach einer Idee für die Anrede bei Veranstaltungshinweisen auf Webseiten, in Zeitschriften, Anzeigen, Aushängen, Flyern und dergleichen.
Puh, so viele Fragen auf einmal.
Wir schlagen vor: Verzichten Sie auf die Anrede. „Hoppla“, denken Sie vielleicht. Aber es geht Ihnen um die Einladung zu einer Veranstaltung. Da können Sie mitten ins Thema springen, vergleichbar einem Werbetext, bei dem Sie schon mit den ersten Worten das Wichtigste sagen.
Ihr Text könnte beispielsweise so aussehen:
„Der große Technik-Tag steht an. Ein Symposium für Studium und Lehre, mit Vorträgen und Workshops für alle, die sich im Ingenieurwesen weiterbilden wollen. Seien Sie dabei! Alle Geschlechter willkommen. Auch wer schon im Beruf ist, kann Anregungen und Ideen für den weiteren Karriereweg erhalten. Der Technik-Tag ist ideal zum Netzwerken für Studierende und Profis.“
Sie merken, das ist komplett geschlechtsneutral getextet! Es ist eine Beschreibung, was es zu erleben gibt. Auf die Nennung von Personen verzichtet der Text weitgehend bzw. nutzt geschlechtsneutrale Wörter wie „Studierende und Profis“. Außerdem enthält er eine direkte Aufforderung: „Seien Sie dabei“. Damit erzeugen Sie den Effekt – ja, dich meine ich! Das würden Sie mit der Anrede … „Sehr geehrte“ oder „Liebe …“ auch erreichen. Aber genau diese Worte wollen Sie nicht benutzen, wie Sie dem Textlabor schreiben.
Kurzer Hinweis zu „Profis“: Der Duden sagt, das Wort sei maskulin, nun ja, warum eigentlich? „Profi“ ist die umgangssprachliche Abkürzung für Professionelle. Upps, das wiederum ist umgangssprachlich ein Synonym für Prostituierte, weiblich wie männlich. Als „Profi“ abgekürzt steht das Wort für Menschen, die ihren Beruf mit großem Fachwissen ausüben. Wir empfehlen, es im Plural zu benutzen: „Sie sind Profis, die …“, denn so verspielt sich die geschlechtliche Zuschreibung. Sie finden „Profis“ zu informell? Nehmen Sie eine Umschreibung: „Alle, die bereits im Beruf stehen“.
Nun ist es aber auch wichtig, dass bei Veranstaltungen zu technischen Berufen Frauen angesprochen werden. Im MINT-Bereich sind sie noch immer in der Minderzahl. Weil der Textvorschlag komplett geschlechtsneutral ist, erwähnt er Frauen nicht. Sorgen Sie deshalb dafür, dass an den Podien Fachfrauen teilnehmen oder Workshops leiten. Jede einzelne ist ein Vorbild für Jüngere, die sich dadurch ermutigt fühlen, ebenfalls ihrer Neigung zu Naturwissenschaft und Technik zu folgen. Wenn weibliche Namen schon im Programmüberblick Ihrer Einladung stehen, ist deutlich, dass Sie diesen Gleichstellungsaspekt beachtet haben.
Dann haben wir noch „Alle Geschlechter willkommen“ in den Beispieltext eingebaut. Das bereits vielfach übliche (m/w/d) wäre für eine charmante Einladung zu nüchtern, Wörter wie „divers“ oder „nicht-binär“ sind vielen Leuten bisher nicht vertraut. Wir empfehlen deshalb den eleganten und höflichen Hinweis mit seiner unmissverständlichen Botschaft.
Einen Tipp für die persönliche Anrede hätten wir noch für Sie. Probieren Sie doch mal, ein bisschen augenzwinkernd, folgende Formulierung:
„Liebe Mitmenschen, mit und ohne Sternchen!“
In diesem Sinne, viel Erfolg mit derartigen Rundschreiben.
Es grüßt Sie das Team Genderleicht!
Rat und Expertise
Mitten im Sprachwandel gab es viele Fragen zum geschlechtergerechten Schreiben und Sprechen. Das Team Genderleicht hat während der ersten Projektphase 2020/21 viele Zuschriften beantwortet. Wir haben fachlichen Rat recherchiert und uns am allgemeinen Sprachgefühl bei unseren Anregungen und Empfehlungen orientiert. Wir finden: Zum Gendern ist alles gesagt. Eine Antwort auf Ihre kniffelige Frage finden Sie bestimmt im Textlabor.