Textlabor #29
Täter und Täterinnen
Wieviel Vorurteil versteckt sich in der Sprache? Wann verrät die Wortwahl mehr über uns als uns lieb ist? Dieses Thema kam bei dieser Frage ans Textlabor zutage:
Was schreiben wir statt „unbekannter Täter“?
Das ist ein häufiges Wort im Polizeideutsch, das macht alle Männer zu Verdächtigen.
Sie haben Recht, es gibt Täter und Täterinnen, und ja auch Täter*innen. Allerdings ist der Männeranteil an Menschen, die in deutschen Gefängnissen Haftstrafen verbüßen, überproportional hoch: er liegt bei 95 Prozent. Es werden also mehr Straftaten von Männern begangen. Aber wir alle wissen doch auch von Taschendiebinnen und Betrügerinnen. Frauen hinterziehen genauso Steuern wie Männer und einige fahren viel zu schnell. Das generische Maskulinum bei „unbekannter Täter“ verschleiert den Umstand weiblicher Kriminalität.
Es sollte, wie Sie richtig anmerken, eben nicht so sein, dass bei negativem oder gar kriminellem Verhalten der sprachliche Eindruck entsteht: Das machen alles nur die bösen Männer. Frauen sind zwar weniger kriminell, aber sie gentlemanlike mit Worten zu schützen, ist nicht mehr zeitgemäß.
Beim Benutzen ausschließlich männlicher Bezeichnungen im Rahmen von Berichten über kriminelle Handlungen passiert aber genau dies. Denn das Maskulinum versagt, wo es generisch sein soll: es ist nicht allgemeingültig, Frauen sind nicht mitgemeint. Wer „unbekannter Täter“ liest oder hört, hat spontan nur männliche Täter vor Augen. Dies ist die unbewusste Genderbias: Sie bedient das stereotype Vorurteil: Frauen sind eher lieb und Männer aggressiv, gar kriminell.
Wer im öffentlichen Diskurs spricht oder schreibt, benutzt oft Sprachhülsen und Phrasen: „Bürger und Bürgerinnen“ geht leicht über die Lippen. Dagegen ist „Täter und Täterinnen“ mühevoll und vor allem ungewohnt, obwohl es ja richtig wäre. Genau solche Phrasen sind Temposünder, Steuerhinterzieher, Terroristen. Diese Worte begegnen uns vorrangig in Nachrichtentexten und dort in knackigen Überschriften.
Schreiben wir also „Temposünder und -Sünderinnen“ oder besser: „Temposünder*innen und Steuerhinterzieher*innen“?
Oder ist uns das alles zu kompliziert? Bei Terroristen wird es unter Umständen schon konkreter. Am Terror der Rote Armee Fraktion (RAF) in den 1970er Jahren beispielsweise waren ausgesprochen viele Frauen beteiligt. Dies war jedoch eher eine Ausnahmeerscheinung.
Bei einer solchen Thematik gendersensibel zu schreiben – und die Frauen nicht zu verschonen – ist eine echte Herausforderung, zu der sich aufgeschlossene Nachrichtenredaktionen viele Gedanken machen. Wie lässt sich das lösen?
Gendern bedeutet genau hinzuschauen und mit den Mitteln der Sprache präzise zu beschreiben, wie das konkrete Geschlechterverhältnis ist. Alle journalistischen Profis wissen, gendersensibel zu schreiben, erfordert zusätzliche Recherche: Sind wirklich Frauen dabei?
Wer „prügelnde Polizist*innen“ schreibt, sollte sicher wissen, wer da zugeschlagen hat. Ein Sternchen in „Vergewaltiger*innen“ sollte unterbleiben. Dieses Verbrechen ist überwiegend eine Gewalttat von Männern an Frauen. Allzu gleichmacherisches Gendern darf nicht verdecken, wer die Täter sind.
Betrachten wir hingegen, wer physische oder psychische Gewalt in der Familie, in Institutionen und kirchlichen Einrichtungen oder auch in der Öffentlichkeit ausübt, so müssen wir anerkennen, dass nicht nur Männer die Täter sind. Auch Frauen müssen gelegentlich als Täterinnen genannt werden, genauso wie Trans* Personen und Nicht-Binäre möglicherweise solche Gewalttaten ausüben. Das sollte nicht verschwiegen werden. Es bedarf stets einer differenzierten Darstellung. Genderbias darf uns nicht die Augen verschließen.
Trudelt also in einer Lokalredaktion eine Polizeimeldung mit den wohlbekannten Worten „unbekannte Täter“ ein, müsste eigentlich ein Nachdenken einsetzen. Ein sensibler Umgang mit Sprache ist gerade bei der Aufklärung von Straftaten wichtig.
Eine neutrale Alternative zu „Täter und Täterin“ wäre zum Beispiel „Kriminelle“. Aber trifft es das Wort, wenn z.B. aus pubertärem Übermut im Straßenraum etwas zerdeppert wird? Jugendliche, die so etwas tun, sind keine Kriminellen, straffällig geworden sind sie schon. Also muss in der Polizeidienstelle nachgefragt werden: Waren es wirklich zwei Männer? Gibt es bereits bessere Erkenntnisse? Eine Alternative, die alles offen lässt, ist eine geschlechtsneutrale Formulierung: „An der Tat beteiligt waren mindestens zwei Personen“.
Schauen Sie „Tatort“? Manchmal frotzeln die Kommissarinnen und Kommissare: „Der Täter?“ „Oder – die Täterin?“. Ganz nebenbei wird hier darauf aufmerksam gemacht, dass die Kriminalpolizei bei ihren Ermittlungen eben nicht mit Genderbias vorgehen darf, sondern in alle Richtungen ermitteln sollte. Es gilt auch Frauen als Tatverdächtige in den Blick zu nehmen. Laut Drehbuch wird das oft vergessen und prompt tappen die Tatort-Kommissar*innen erstmal in die falsche Richtung. Da loben wir doch mal das Fernsehvergnügen am Sonntagabend: Gendern-gelernt auf die leichte Art.
Es grüßt als Coachpotatoes
Team Genderleicht
Linktipps
Genderbias – Vorurteile im Journalismus
Unabhängiger Beauftragter für Fragen des sexuellen Missbrauchs:
Täter und Täterinnen
Rat und Expertise
Mitten im Sprachwandel gab es viele Fragen zum geschlechtergerechten Schreiben und Sprechen. Das Team Genderleicht hat während der ersten Projektphase 2020/21 viele Zuschriften beantwortet. Wir haben fachlichen Rat recherchiert und uns am allgemeinen Sprachgefühl bei unseren Anregungen und Empfehlungen orientiert. Wir finden: Zum Gendern ist alles gesagt. Eine Antwort auf Ihre kniffelige Frage finden Sie bestimmt im Textlabor.