Textlabor #14
Rathaus wird Bürgerhaus
Eine Stadt will ihr Rathaus in „Bürgerhaus“ umbenennen, weil es neben der Verwaltung auch Räume für kulturelle Veranstaltungen, Vereinsaktivitäten und Ähnliches beheimaten soll. Doch nicht alle finden die Namensgebung gut. Es kam die Frage auf: Was ist mit den Bürgerinnen?
„Ich habe beanstandet, das Rathaus in Bürgerhaus umzubenennen, allerdings habe ich keine Alternative anbieten können, außer beim Begriff Rathaus zu bleiben. Doch das trifft es auch nicht ganz. Haben Sie eine Idee?“
Wir setzen an den Anfang unserer Antwort ein Zitat aus einem Zeitungsbericht:
„Bürgerhäuser haben wir viele in unserer Stadt. Nach dem Lexikon ist ein Bürgerhaus jedes Wohnhaus einer Stadt, welches mit der Fassade an den Straßenrand meist lückenlos aneinander oder mit schmalen Abständen gebaut ist.“
Das Bürgerhaus hat also eigentlich eine ganz andere Bedeutung! Es ist in erster Linie eine architektonische Bezeichnung. Aber nun ja, Begrifflichkeiten ändern sich und wir kennen in der Tat viele Bürgerhäuser in dem von Ihnen beschriebenen Sinn. Die Diskussion, ein Rathaus in ein Bürgerhaus umzubenennen, haben schon mehrere Städte hinter sich. Nicht immer wurde dabei die Frage bedacht: Wie nennen wir ein Bürgerhaus, damit sich alle angesprochen fühlen und gern dahin kommen?
Bei der Suche nach einer besseren Bezeichnung hilft es, ist die geplante Funktion des Hauses genauer anzuschauen:
Anders als beim traditionellen Rathaus, in dem lediglich die Stadtverwaltung ihren Sitz hat, soll das Gebäude nun auch zur Nutzung durch die Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt da sein. Familienzentren und Vereine können dort unterkommen, und vermutlich steht ein größer Raum oder Saal künftig für kulturelle Veranstaltungen zur Verfügung. Vielleicht wird es auch eine Bibliothek oder eine Kita unter dieser Adresse geben. Das Rathaus wird also ein Ort der Begegnung sein.
Passt der Begriff „Bürgerhaus“? Nein! Bürger ist ein männlicher Begriff. Frauen sind es zwar in jahrzehntelanger Übung gewöhnt, sich auch mit männlichen Bezeichnungen angesprochen zu fühlen, insbesondere, wenn es nicht um sie ganz persönlich geht. Kinder dagegen sind in ihrem frisch erworbenen Sprachvermögen wesentlich genauer und fragen schon mal: „Was ist mit den Bürgerinnen? Dürfen die da auch hinkommen? Und wir Kinder auch?“
Zu bedenken ist ebenfalls, dass „Bürger“ ein sehr konservativer, um nicht zu sagen altbackener Begriff ist, der im Verwaltungsdeutsch beheimatet ist. Was ist mit den Menschen Ihrer Stadt, die keine Deutschen sind, oder die als Geflüchtete recht wenig Rechte haben? Die aber dort auch Feste feiern sollen. Klar, wir denken, das sind Bürger. Aber ein offener Begriff, der alle willkommen heißt, wäre nicht nur schöner, er würde den Geist eines solchen Hauses besser wiedergeben.
Unser Favorit wäre „Haus der Begegnung“.
Weitere genderneutrale Varianten zur Auswahl:
- Stadthaus
- Gemeindehaus
- Gemeinschaftshaus
- Gemeinschaftshaus Stadt xy
- Haus der Stadt xy
- Dorfgemeinschaftshaus
- Gemeindezentrum
- Familienzentrum
- Kulturzentrum
- Kulturhaus
- Haus der Begegnung mit Stadtverwaltung
- Rathaus der Begegnung
Noch eine Idee wäre es, das Haus nach einem berühmten „Kind“ ihrer Stadt zu benennen: „xy-Haus“. Dabei ist jedoch die Gefahr groß, dass sich ein Männername durchsetzt. Die Leistungen von Frauen finden zu wenig Anerkennung, Frauen sind deshalb oft weniger bekannt. Vielleicht gibt es aber auch eine berühmte Familie, mit tatkräftigen Frauen und Männern, die sich um Ihre Stadt verdient gemacht haben. Diese Nennung könnte Signalwirkung haben.
Last but not least:
Haus der Bürger*innen
Sehr modern! Denn der Genderstern steht für die Vielfalt der Geschlechter, also für Frauen, Männer und trans-, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen.
Wie wäre es, einen Kreativwettbewerb auszurufen? Und es kommt ein noch viel schönerer, individuellerer Name zustande.
Wir wünschen viel Erfolg bei Namenssuche und Durchsetzung Ihrer Ideen!
Team Genderleicht
Rat und Expertise
Mitten im Sprachwandel gab es viele Fragen zum geschlechtergerechten Schreiben und Sprechen. Das Team Genderleicht hat während der ersten Projektphase 2020/21 viele Zuschriften beantwortet. Wir haben fachlichen Rat recherchiert und uns am allgemeinen Sprachgefühl bei unseren Anregungen und Empfehlungen orientiert. Wir finden: Zum Gendern ist alles gesagt. Eine Antwort auf Ihre kniffelige Frage finden Sie bestimmt im Textlabor.