Reduziert aufs Stereotyp: Chefinnen in den Medien

von | 19. Februar 2024 | Bildimpulse

Teil 2 unserer Serie zum „Bild von Frauen in Führungspositionen“. Unsere Autorin Angelika Knop hat das Thema eingehend durchleuchtet:

Frauen sind in den Führungsetagen der deutschen Wirtschaft deutlich in der Minderheit. Noch seltener sind offenbar gute Bildideen zu diesem Thema. Wenn es nicht um konkrete Frauen geht, wiederholen sich die Motive. Die meisten sind nicht so klischeehaft wie die hohen Absätze, die sich hoffentlich bald abgelaufen haben. Doch gerade deshalb ist es interessant, sie mal genauer zu betrachten.

Wie sich stereotype Rollenbilder wiederholen

Besonders beliebt ist in jüngster Zeit das dpa-Foto einer Frau am Bürofenster mit Blick auf die Frankfurter Skyline von Hannes P. Albert. n-tv bebildert damit im August 2023 eine Studie aus Niedersachsen, die FAZ im Oktober 2023 in ihrem Online-Auftritt eine Studie der Allbright-Stiftung und ZEIT ONLINE im Januar 2024 die Meldung, dass Frauen schneller aus DAX-Vorständen aussteigen als Männer. Drei Beispiele von vielen.

Rückenansicht: Frau steht am Bürofenster mit Blick auf Hochhaus und telefoniert.

Screenshot NTV, 28.1.2024, Foto © Hannes P. Albert, dpa

Frau steht im Gegenlicht eines Büros und schaut auf die Skyline mit Hochhäusern

Screenshot FAZ, 23.10.2023, Foto © Hannes P. Albert, dpa

Das Bild ist noch variabler einsetzbar: Acht Tage nachdem Süddeutsche.de das Foto für einen Artikel über Führungsfrauen im Mittelstand benutzt hat, bebildert das Onlinemedium damit auch einen Beitrag über Betrug in Unternehmen – sicher keine weibliche Domäne.

Frau steht im Gegenlicht eines Büros und schaut auf die Skyline mit Hochhäusern

Screenshot SZ, 13.9.2023, Foto © Hannes P. Albert, dpa

Frau steht im Gegenlicht eines Büros und schaut auf die Skyline mit Hochhäusern

Screenshot SZ, 20.9.2023, Foto © Hannes P. Albert, dpa

Frau blickt aus dem Fenster: Statussymbol oder Notlösung?

Das Motiv „Blick aus dem Fenster“ gibt es noch in anderen Variationen. Das ist nachvollziehbar: Ein schickes Büro in hoher Etage mit guter Aussicht ist ein Status-Symbol. Reale Manager und Managerinnen lassen sich gerne so abbilden – wenn auch eher von vorne. Eine Frau an solch einem Arbeitsplatz hat etwas erreicht und weitere Ziele im Blick. Das kann visionär wirken, zielgerichtet, aber auch verträumt und nicht sehr aktiv. Im meistgenutzen Foto von Hannes P. Albert stellt sich eher der Eindruck ein, dass die Frau da einer verpassten Chance hinterherblickt, nicht, als wolle sie um eine Beförderung kämpfen. Die Unternehmen und ihre Spitzen, die keine Frauen in Führung berufen, werden ja ohnehin nicht thematisiert.

Screenshot aus der FAZ

Screenshot: Drei Artikel Fotos nebeneinander. Die Frauen stehen jeweils am Fenster, Gesichter sind nicht erkennbar.

Beliebtes Motiv: Frauen am Bürofenster. Auf einen Blick erkennbar, in der Ankündigung einer Artikelsammlung
Screenshot FAZ

Auch wenn Meetings oder Gespräche dargestellt sind, hören oder sehen die abgebildeten Frauen eher zu, als dass sie reden. Sie haben also im Bild nicht das Sagen. Steht darunter die Zeile „Die Topetagen werden weiblicher“, drängt sich der Eindruck auf, dass Frauen dort nur nettes Beiwerk sind.

„Die Bildredaktionen greifen auf die immer gleichen Bilder zurück. Auch in Stock-Datenbanken gibt es wenig Auswahl für Fotos von aktiven Frauen in gemischten Führungsrunden. Wir haben erst kürzlich nach guten Bildern für unsere Webseite ‚Strategische Kompetenz für Frauen in Aufsichtsräten‚ recherchiert – da ist es mir wieder aufgefallen.“ Das stellt Philine Sandhu fest. Die Diversity-Expertin leitet an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) in Berlin ein Weiterbildungsprogramm für Aufsichtsrätinnen und ist Kolumnistin fürs Handelsblatt. Das Profilbild der Website beweist allerdings: Wer gründlich sucht, kann durchaus Passendes finden: Eine Frau spricht zu aufmerksam Zuhörenden – freundlich, zugewandt und mit entschiedener Gestik.

Eine ähnlich gute Wahl trifft die Deutsche Welle mit einem Bild der dpa-Tochter picture alliance, in dem die Frau den Vorsitz einer Besprechung führt.

Profilbild einer Website: eine mittelalte blonde Frau erklärt mehreren Männer und Frauen etwas

Startbild der Projektseite, Screenshot HWR
Foto © Alvarez, iStockfoto.com

Frau steht im Gegenlicht eines Büros und schaut auf die Skyline mit Hochhäusern

Die Chefin sitzt an der Spitze, Screenshot Deutsche Welle
Foto © Zeljko Dangubic, Westend61, picture alliance

20-Jährige in der Chefetage: Realistisches Szenario?

Auch die Auswahl der abgebildeten Frauen ist auf vielen Stockfotos unpassend fürs Thema. Sie sind in der Regel überdurchschnittlich attraktiv, sehr schlank – und außergewöhnlich jung. Ausgerechnet beim feministischen Online-Magazin Edition F ist das gut zu sehen.

Zur Erinnerung: In diesen Beiträgen geht es nicht um untere Führungsetagen oder kleine Startups, sondern um Posten im Aufsichtsrat eines großen Konzerns.

Junge Frau sitzt an einem Schreibtisch und schüttelt einer nicht sichtbaren Person die Hand

In der Bildunterschrift zur Frau im Vorstand deklariert
Foto ©insta_photos, stock adobe.com

Junge Frau steht neben älteren, sitzenden Männern bei einer Bürobesprechung

So jung und schon im Vorstand?
Foto ©Andrea Piacquadio, Pexels

Manchmal stimmt zwar auch bei den Männern das Alter nicht – aber bei den Frauen hat es Klischeestatus, auf die Spitze getrieben beim Damenquartett auf der Website von RTL. Es sieht zielgruppengerecht eher nach Hochglanz-TV-Serie aus als nach DAX-Unternehmen. Und auch wenn dieses eine Beispiel schon von 2019 ist. Es steht noch online.

Vier junge Frauen in sommerlicher Bürokleidung stehen und sitzen aufgereiht an einem Schreibtisch

Jung und bereit, die Karriereleiter hochzusteigen: Botschaft für die Zielgruppe
Foto © iStockphoto.com

Digital8, das Digital Native Netzwerk, hat 2023 festgestellt: Nur ein Prozent der Vorstandsmitglieder bei börsennotierten Unternehmen ist unter 40, das jüngste Mitglied ist 38. Der Altersdurchschnitt beträgt 54,5 Jahre. Frauen und Männer dürften da nur wenig voneinander abweichen, meint Anja Seng, Präsidentin des Vereins „Frauen in die Aufsichtsräte“ (FidAR). Denn: „für solche Posten braucht man Lebens- und Berufserfahrung“.

Die hier gezeigten Beispiele würdigen diese Erfahrung nicht. Sie haben sogar das Potential, Quotenregelungen zu diskreditieren. Denn es stellt sich der Eindruck ein, die Posten würden nach Aussehen besetzt, nicht nach Qualifikation.

Selbstverständlich gibt es auch Aufsichtsrätinnen oder Vorstandsfrauen, die den gängigen Schönheitsidealen entsprechen, jugendlich wirken oder gerne kurze Röcke und hochhackige Schuhe tragen. Und das ist gut so. Viele Stockbilder machen aber junge, sehr feminine Frauen zur Norm. Und das ist falsch.

Mutig hebt sich der Tagesspiegel davon ab und zeigt eine Frau mit weißen Haaren und sichtbaren Fältchen. SHE works!, das Wirtschafts- und Karrieremagazin für Frauen, setzt eine reife Frau im Superheldinnen-Outfit, KI-generiert, aufs Cover, mit der Schlagzeile #FemaleEmpowerment.

Frau mit weißen Haaren, Hornbrille und Falten schaut aus einem Bürofenster.

Gut gewähltes Symbolbild: Frau mit Lebenserfahrung
Foto © Getty Images/FG Trade

Zeitschriftencover: Ältere Frau mit kurzen, weißen Haaren, Sonnenbrille und Lederjacke

Cooler Look, KI-generiert, Screenshot
Cover SHEworks Ausgabe 4/23, Adobe Stock/Ricky

Am verzerrten Eindruck sind die Unternehmen selbst nicht schuldlos. Die Berliner PR-Agentur Mashup Communications hat 2019 in ihrem Visuellen Storytelling Report untersucht, wie die 30 DAX-Unternehmen ihre Führungskräfte auf der eigenen Website darstellen. Die Führungsfrauen sind im Schnitt deutlich jünger als ihre Kollegen. Insgesamt erscheinen Frauen eher passiv und lächelnd, Männer eher aktiv.

„Der digitale Auftritt von den Wirtschaftsunternehmen verkörpert das verfestigte Rollenbild des älteren, seriösen Mannes, der der jungen, dynamischen Frau die Welt erklärt“, zieht Mashup Geschäftsführerin Nora Feist ein Fazit im Fachmagazin Human Ressources Manager.

US-amerikanische Diversität: Auf Deutschland übertragbar?

Besonders schwierig scheint das Thema ethnische Vielfalt im Bild zu sein. Stockfotos aus den USA spiegeln meist weder die Bevölkerung noch die Führungsetagen in Deutschland wider. Der afroamerikanische Bevölkerungsanteil ist dort deutlich höher als hier der afrodeutsche. Ein türkischer oder arabischer Migrationshintergrund wiederum ist auf Bildern oft nicht gleich erkennbar.

Auch Büroeinrichtung, Kleidung, das ganze Setting passt oft nicht. Beim Bemühen um Diversität hat ZDF Online wohl zum Stockfoto einer Wohnungsbesichtigung gegriffen, als es eine AllBright-Meldung bebildert hat.

Zwei Frauen und zwie Männer stehen in Businesskleidung in einem leeren, sonnendurchfluteten Büroraum

Die Besichtigung neuer Büroräume muss als Symbolbild herhalten
Foto © imago

Mann, Schwarz, sitzt nachdenklich vor einem Laptop

Symbolbild für einen Manager mit Zweifeln
Foto ©Yulia, stock.adobe.com

Einfacher ist es in Wissens- oder Ratgeberbeiträgen zum Thema Management oder Führung allgemein. Beiträge über Fehlerkultur, Psychologie in der Personalführung oder Empathiefähigkeit von Managern und Managerinnen sind meist nicht an bestimmte Führungsebenen, Branchen oder Typen von Unternehmen gebunden.

Ein Blick durch die Rubriken und Magazine zeigt: Viele Redaktionen achten hier sehr darauf, dass Frauen, verschiedene Altersstufen und Menschen mit Migrationshintergrund in allen Rollen vorkommen. Nur „toxische Chefs“ – und das steht so auch nur in der männlichen Form – sind stets alte weiße Männer.

Achtung: So prägen uns Symbolbilder

Elke Grittmann, Professorin für Medien und Gesellschaft an der Hochschule Magdeburg-Stendal, sieht Symbolfotos in den Medien kritisch. 2008 hatte sie im Forschungsprojekt „Spitzenfrauen im Fokus der Medien“ untersucht, wie Zeitungen, Zeitschriften und TV-Sendungen Führungsfrauen und -männer im Bild darstellen. Eine wichtige Erkenntnis lautete damals, „dass Medienbilder die Ansichten der MediennutzerInnen prägen“. Es sei deshalb wichtig zu erkennen, „wie die Darstellung einem Beitrag seine Perspektive verleiht“ und Geschlechterstereotype zu vermeiden.

Die Aufmerksamkeit und Sensibilität fürs Thema, so sagt sie, sei heute in den Redaktionen gestiegen. Mit Sorge beobachtet sie aber, dass „Stockfotos nicht nur im Servicebereich, sondern Symbolbilder immer mehr in die Nachrichten einziehen, in Bereiche, die vorher einer auf Authentizität gerichteten Fotografie vorbehalten war“. Der Einsatz von Models „depersonalisiere“ die Berichterstattung.

Auf der Fachtagung „Mächtig daneben? Oder Bildermächtig?“ des Journalistinnenbundes im November 2023 appellierte sie in der Keynote: „Wir müssen die Welt und die Gesellschaft doch in ihrer Vielfalt beobachten, Menschen in ihrer Individualität sichtbar machen, statt neue Stereotype durch Datenbanken, Symbolbilder und KI zu imaginieren.“

2 Wege, die Klischee-Chefin zu vermeiden

Mit Grafiken lässt sich vielleicht am einfachsten der Klischeefalle entgehen. Sie können plakativ sein ohne Realität zu suggerieren, genau auf Mehrheitsverhältnisse abgestimmt oder ganz abstrakt und trotzdem ein Hingucker. Da darf eine Frau in der Wirtschaftswoche auch mal zornig die gläserne Decke durchbrechen. Chefs sind geschlechtslose Nilpferde oder Pinguine. Und im Handelsblatt illustriert eine Collage aus Gesichtern den Beitrag „Der DAX war noch nie so weiblich wie derzeit“.

Bunte Zeichnung: Frau im Hosenanzug steht auf einem Schreibtisch und boxt nach oben. Die gläserne Decke zerspringt.

Gläserne Decke sichtbar gemacht.
Screenshot WirtschaftsWoche 5.1.2023
Bild ©imago images

Zeichnung: Ein Pinguin steht vor einer Gruppe von vielen Pinguinen und redet offenbar auf sie ein

Witzige Visualisierung für einen Chefs, jeden Geschlechts übrigens.
Screenshot Arbeits-ABC

Screenshot: bunte Collage eines Frauengesichts, Augen, Mund, Nase usw. aus unterschiedlichen Zeichnungen und Fotos zusammengesetzt

Collage als kreative Alternative, Screenshot Handelsblatt, 6.3.2023
© Handelsblatt

Fotos von Gegenständen können einen ähnlichen Effekt haben. Die Illustration von einem An-/Ausschalter zum Beispiel kann zum Thema „Ablegen überkommener Führungsgewohnheiten“ passen. Brandeins hat für ähnlich abstrakte Fragestellungen den Fotograf Philotheus Nisch beauftragt. Er hat sich durch moderne Stilleben einen Namen gemacht hat. Zur Frage „Was wäre, wenn eine verpflichtende Frauenquote existieren würde?“ zeigt er einfach eine Schraube, die an das grafische Zeichen für Frau, den Kreis mit dem Kreuz darunter, erinnert.

Auf Knopfdruck lässt sich Kreativität aber selten herstellen – auch oder schon gar nicht beim vielfach wiederholten Thema Frauen in Führung. Da hilft es, sich in einer ruhigen Minute mal Gedanken über gute Bilder zum Thema Frauen in Führung zu machen und die dann auf Vorrat zu produzieren. Denn der nächste Anlass kommt bestimmt.

Fotojournalistin Christina Czybik appelliert außerdem an Redaktionen: „Bringt Vielfalt in eure Aufträge, sucht neue Fotografinnen, zum Beispiel über den Female Photoclub.“

Chefinnen jenseits des Stereotyps: Leitfaden für gute Bilder

  • Realistische, aussagekräftige Stockfotos auf Vorrat recherchieren.
  • Frauen in ihrer Vielfalt zeigen: Diverse Körperformen, Ethnien, Kleidung, Haarschnitt.
  • Das Alter passend zur Erfahrungsstufe wählen, um die es im Beitrag geht.
  • Führungsfrauen in Aktion und im Mittelpunkt einer Gruppe zeigen, fotografiert auf Augenhöhe.
  • Ein Briefing für eine Fotoproduktion erarbeiten und/oder gemeinsam mit einer kreativen Fotografin Bildideen für eine Auftragsproduktion entwickeln. Bei der Vielzahl von Meldungen kann sich das lohnen.
Portrait Angelika Knop

© Christiane Kappes

Angelika Knop

Gastautorin

Als Journalistin und Moderatorin, berichtet Angelika Knop über Recht und Justiz, Medien und Frauenpolitik. Als Dozentin für Journalistik bringt sie ihren Studierenden näher, wie sie verantwortungsvoll mit Daten, Sprache und Bildern umgehen. Ihr Credo: Kritisch sein – auch sich selbst gegenüber, Fehler entdecken, dazulernen, Neues ausprobieren.

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