Führungsfrauen souverän porträtiert

von | 26. Februar 2024 | Bildimpulse

Teil 3 unserer Serie zum „Bild von Frauen in Führungspositionen“. Unsere Autorin Angelika Knop hat das Thema eingehend beleuchtet:

Wie das Porträt gelingt: Das Beispiel Chefin des DGB

Im April 2022 stand Yasmin Fahimi kurz vor ihrer Wahl zur Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Für ein Porträt in der ZEIT kam sie zum Fotoshooting im Paul-Löbe-Haus des Bundestages, in dem sie damals noch Abgeordnete war. Rund zehn Minuten – mehr Zeit war nicht im engen Terminkalender der künftigen Vorsitzenden von sechs Millionen Mitgliedern. Julia Steinigeweg fotografierte sie im Treppenhaus, einer monumentalen Betonarchitektur. Die Fotografin ist Zeitdruck gewohnt, wenn sie für Magazine wichtige Persönlichkeiten ins Bild setzt: „Ich bin dann meist eine halbe Stunde vorher da, muss sofort auf den Raum reagieren, vor den Aufnahmen alles einrichten und mit einer Assistentin testen.“ Abgesehen von der Terminvereinbarung gab es vorher „null Kommunikation“. Yasmin Fahimi kam im hellen, geblümten Kleid, meinte mit Blick auf den spärlichen Lichteinfall im Gebäude „aber nicht wieder so duster“, war dann jedoch „sehr entspannt und vertrauensvoll“, erinnert sich Julia Steinigeweg. „Ich dachte noch: Toll, die füllt das Bild auch aus!“

Als großes Seiten-Aufmacherfoto über vier Spalten wählte Die ZEIT eine Aufnahme, in der Yasmin Fahimi zentral im weiten Raum steht, leicht mit dem Arm auf die Brüstung gestützt, und mit angedeutetem Lächeln knapp an der Kamera vorbeiblickt. Lichtstrahlen fallen auf ihr Gesicht. Sie wirkt sympathisch und sehr souverän. Und das nicht von ungefähr.

Frau mit Brille, schwarzen Haaren und im geblümten Kleid steht an eine Brüstung gelehnt in einem sehr großen Raum

Nur zehn Minuten, um Yasmin Fahimi ins richtige Licht zu setzen. Die ZEIT, Print-Ausgabe No. 19, 5.5.2022
Foto ©Julia Steinigeweg

„Der wichtigste Tipp, den ich gebe, um Macht im Bild auszudrücken, ist: Den Raum bedenken, den Körper nicht zu klein machen. Eine Person sollte den Raum einnehmen. Aber auch Licht, Perspektive, Material, Mobiliar spielen eine Rolle.“

Der Ratschlag stammt von Katharina Bosse, Professorin für Fotografie an der Fachhochschule Bielefeld, die selbst früher für Magazine fotografiert hat. Krisztina Berger, Coachin für Führungsfrauen, gibt den Tipp: „Je mehr wir auf dem Bild vom Körper zeigen, desto mehr können wir raumgreifend sein und Macht ausstrahlen.“ Sie empfiehlt eine gerade, selbstbewusste Haltung und „gelassen Territorium einzunehmen, so als ob mir das sowieso gehört“.

Das sind sehr viele Aspekte, die es offenbar zu bedenken gibt – und das in wenigen Minuten Fotoshooting. Braucht es all diese Ratschläge speziell für Frauen in Führungspositionen der Wirtschaft? Und wenn ja, warum?

Frauen an der Spitze: Dekorativ oder bossy

Frauen befinden sich in den obersten Führungsetagen der Wirtschaft nach wie vor deutlich in der Minderheit. Ihr zuletzt stark gewachsener Anteil an der Entscheidungsmacht ist durch Verbände, Aktionen und gesetzliche Quoten hart erkämpft und heftig debattiert.

Legt eine Aufsichtsrätin ihr Mandat nieder, folgt oft die öffentliche Diskussion, ob sie sich wegen ihres Geschlechts nicht durchsetzen konnte. Die Sozial- und Wirtschaftspsychologie beschreibt außerdem ein Dilemma: Von Führungskräften erwarten Belegschaft und Gesellschaft eher dominantes Verhalten, von Frauen eher fürsorgliches. Managerinnen gelten deshalb oft als „unsympathisch“ oder „bossy“. Männer dagegen sind einfach „der Boss“.

Diese Frauen stehen also unter besonderer Beobachtung. Und nicht nur ein Blick in die Kommentare auf Social Media zeigt, dass Frauen in allen Positionen häufig nach ihrem Aussehen beurteilt und deshalb angegriffen werden. Brigitte Biehl, Professorin für Medien und Kommunikationsmanagement an der SRH Hochschule in Berlin, hat es 2023 in ihrem Buch „Gender und Leadership“ so ausgedrückt: „Die Körper von Frauen werden demnach stärker geprüft als Männerkörper und oftmals als nicht zur Führung passend wahrgenommen.“

Zwei mediengemachte Stereotype über Führungsfrauen

Medien sind an dieser Darstellung beteiligt. 2014 stellte die Soziologie-Professorin Andrea Bührmann fest, dass diese bei Führungsfrauen zwei Typen unterschieden:

  • Selbstbewusste, souveräne „Powerfrauen“, meist feminin gekleidet und frisiert, kommentierten Medien als „natürlich weiblich“.
  • „Businessfrauen“, oft mit Kurzhaarschnitt und „rauer Stimme“, bewerteten Medien als „zu männlich“.

Die Kommunikationsberatung Hering Schuppener (FGS Global) schlussfolgerte 2020 in einer quantitativen Inhaltsanalyse von 850 Artikeln in deutschen Leitmedien: Sie beschreiben Top-Managerinnen oft als Ausnahme. Sie thematisieren Ihr Aussehen, Auftreten, Familien-, Liebes- und Privatleben etwa doppelt so häufig wie das ihrer männlichen Kollegen. Stereotype „männliche“ Führungseigenschaften wie Dominanz schreiben sie zwar beiden Geschlechtern zu – bei Frauen aber häufiger mit negativem Beiklang.

Auch wenn Redaktionen dafür ein Bewusstsein entwickeln und sich diese Stereotype abschwächen mögen – sie wirken auf die Beteiligten. So steht Yasmin Fahimi als erste Frau im Amt, noch dazu mit Migrationshintergrund, als DGB-Chefin unter besonderer Beobachtung. Ihre Fotografin Julia Steinigeweg dachte daran, dass Frauen „doch eher als Püppchen eingestuft werden“ und wollte bewusst „eine Haltung fotografieren, die Stärke zeigt“. Und Die ZEIT wählte für die Bildunterzeile den Vergleich mit einem Mann: „Ihr Vorgänger war, so sagt man ja, eine Type. Yasmin Fahimi lässt sich nicht so leicht einordnen.“

Diese besondere Aufmerksamkeit „ist eine Barriere für Frauen und nicht-männliche Menschen in Führungspositionen, kostet Nerven und Ressourcen und verlangt neue Strategien“, schreibt die Medienwissenschaftlerin Brigitte Biehl. „Es ist ein großer Markt für Styling- und Auftrittsberatungen entstanden.“

Neue Strategien für Frauen in Führungspositionen

Auch das Weiterbildungsprogramm „Strategische Kompetenz für Frauen in Aufsichtsräten“ der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin bietet ein „Präsenztraining“ an, geleitet von der Tanz- und Bewegungstherapeutin Krisztina Berger. Sie legt dabei Wert auf „innere Präsenz“, die sich dann in äußerer Haltung ausdrücken soll, nicht auf erlernte „Power-Posen“. Sie beobachtet auf Fotos, dass Führungsfrauen oft freundlicher wirken, eher lächeln als ihre männlichen Kollegen. „Oder sie wählen bewusst Ernsthaftigkeit und verstärken das durch eine Machtpose, zum Beispiel verschränkte Arme. Und wenn ich die Frauen kenne, weiß ich, dass ihnen das manchmal gar nicht entspricht.“

Powerpose? So werden Führungsfrauen porträtiert

Wer sich selbst ein Bild davon machen möchte, kann jedes Jahr im Dezember auf manager-magazin.de nachsehen. Seit 2015 lässt das Medium von einer Jury „Die 100 einflussreichsten Frauen der deutschen Wirtschaft“ küren und stellt sie alle mit Foto vor. Vom Titelbild der jüngsten Ausgabe blicken uns die RWE-Aufsichtsrätin Ute Gerbaulet, die VW-Transformationsleiterin Yvonne Bettkober, die Airbus-Technikchefin Sabine Klauke, die Stahl-Unternehmerin Anne Marie Großmann und Bahn-Vorständin Evelyn Palla frontal an.

Großmann verschränkt die Arme, so wie auch einige andere Frauen in den folgenden Einzelporträts. Manche davon sind an die Wand oder ein Geländer gelehnt. Teilweise ist nur das Gesicht im Bild, Posen also nicht erkennbar. Entweder lächeln die Frauen dezent oder sie schauen ernst.

Vier junge Frauen in sommerlicher Bürokleidung stehen und sitzen aufgereiht an einem Schreibtisch

Screenshot manager magazin, 26.12.2023

Das ist nicht unsympathisch, aber wenig spannend. Was es nicht gibt: Frauen in Aktion. Lediglich die Stahl-Unternehmerin Anne-Marie Großmann spricht mit Mikro auf einer Versammlung. Ganz anders dagegen die Galerie der Auszeichnung „Manager des Jahres“, verliehen ebenfalls jährlich vom Manager Magazin – übrigens noch nie an eine Frau.

Dort ballt Olla Källenius von Daimler die Fäuste, andere Preisträger gestikulieren, halten Reden und zeigen ausdrucksstarke Mimik. Dieses Muster findet sich auch in anderen Medien. Unter dem Titel „So viel verdienen die Top-Manager der Dax-Konzerne aktuell“ zeigte die Wirtschaftswoche im August 2023 drei Spitzenmanager vor farbigem Hintergrund ganz dynamisch auf Versammlungen oder am Steuer eines Wagens. Belen Garijo, CEO bei Merck, steht dagegen stumm mit verschränkten Armen vor einer grauen Wand.

Der Businessinsider bildet zu einem Gehaltsranking nur Männer ab, alle aktiv auf Veranstaltungen. Vermutlich gibt es diese Fotos von vielen Führungsfrauen nicht, weil sie nicht so im Rampenlicht stehen wie die meist männlichen Vorstandsvorsitzenden. Vielleicht liegt es auch daran, zu welchen Terminen Medien Fotografen oder Fotografinnen schicken – oder an der Auswahl der Bildredaktionen.

Die Wirkung bleibt gleich: Manager sind Macher, Managerinnen dekorativ.

Führung in Aktion: 4 Posen für Macherinnen

1. Verschränkte Arme

Neben diesem großen Unterschied erscheint die Diskussion um verschränkte Arme fast nebensächlich. Die freie Fotografin Melina Mörsdorf meint: „Ich empfinde das nicht als abweisend – das ist einfach bequem. Mit verschränkten Armen kann man sich gut an einen Türrahmen lehnen oder eine Wand. Man macht sich dadurch breiter, nimmt mehr Raum ein. Wenn ich das allerdings vorschlage, dann sagen Frauen oft: Das macht man doch nicht.“

Collage: Fünf Topmanagerinnen stehen nebeneinander

Ariane Reinhart, Vorständin Continental
Foto © Tanja Kernweiss

Blonde Frau, schwarzer Blazer, blauer Schal mit verschränkten Armen

Antje Leminsky, Vorständin Testo, Screenshot Handelsblatt, 16.1.2024,
Foto © Bechtle

Collage: Fünf Topmanagerinnen stehen nebeneinander

Clara-Christina Streit, Regierungskommission für gute Unternehmensführung
Foto © Anna Ziegler, manager magazin

Die Leiterin des Hamburger Chapters des Female Photoclub rät Bildredaktionen: „Achtet darauf, dass die Person authentisch wirkt – ich finde, man sieht das, ob jemand gerne die Arme verschränkt.“

Auch die übrige Bildauswahl ist zu berücksichtigen. Bei einem Beitrag über die Nachfolge in Familienunternehmen in der Wirtschaftswoche (WiWo) wirkt die Unternehmerin auch dadurch kämpferischer, dass sie größer im Bild ist und der Unternehmer etwas entrückt die Hände in den Hostentaschen versenkt.

zwei Fotos: Links eine Frau mit verschränkten Armen, rechts Mann mit Händen in den Hosentaschen

Zum Vergleich – was wirkt souveräner? Screenshot Wirtschaftswoche, 6.11.2023
Fotos © laif

2. Hände in den Hosentaschen

Diese Haltung ist dagegen ganz offensichtlich ein Tabu bei Führungsfrauen. Sie kommt bei den 100 Ausgewählten des Manager Magazins nicht ein einziges Mal vor. Dabei wirkt sie beim Bertelsmann-Manager Thomas Raabe ganz selbstverständlich und auch beim deutlich konservativer gekleideten „Manager des Jahres“, dem Münchner-Rück-Chef Joachim Wenning.

Schwarzgekleideter Mann steht mit den Händen in den Hosentaschen in einem leeren Raum

Screenshot manager magazin, 2.6.2023,
Foto © Carolin Windel, Der Spiegel

Mann mit Anzug und Krawatte steht mit Händen in den Hosentaschen da

Screenshot manager magazin, 29.11.2023,
Foto ©Constantin Mirbach, manager magazin

Melina Mörsdorf weiß warum: „Hände in den Hosentaschen ergeben einen schönen Winkel. Und sie hängen dann nicht untätig rum. Das ist ein guter Bildaufbau.“ Also regt sie das manchmal beim Fotografieren an – und die Abgebildeten greifen es dankbar auf. So wie 2021 Mathilde Burnecki, Managerin bei Instagram, die sie für das Magazin finanzielle ablichtete – bis heute eine absolute Ausnahme und wohl nicht nur, weil es in vielen Röcken keine Taschen gibt.

3. Den Kopf gerade halten

Melina Mörsdorf achtet dagegen beim Fotografieren sehr darauf, dass Frauen nicht den Kopf schief legen. „Den Nacken preisgeben, das zeigt Verletzlichkeit, das ist eine Unterlegenheitsgeste“, meint auch ihre Kollegin Julia Steinigeweg.

Der Fotografie-Professorin Katharina Bosse ist aber in ihrer „fotografischen Arbeit nicht aufgefallen, dass Frauen eher den Kopf schief legen als Männer und damit weniger Macht ausstrahlen“. Die Präsenz-Trainerin Krisztina Berger sagt: „Der Kopf sollte eher gerade sein, aber als Regel ist mir das zu oberflächlich. Wirkung ist ja immer multikausal. Die Komposition des Bildes entscheidet, ob die Führungsfrau authentisch und stark wirkt.“

Die Airbus-Technikchefin Sabine Klauke jedenfalls neigt den Kopf auf dem Foto des Manager Magazins. Im Interview erzählt sie, sie habe gelernt, sich nicht zu sehr „an das System anzupassen“ und so zu ihrem „eigenen Stil zurückgefunden“.

Frau mit kurzen Haaren und Anzug steht mit verschränkten Armen in einer Werkshalle

Sabine Klauke, Airbus-Cheftechnikerin und Vorstandsmitglied
Screenshot, 20.12.2023, Foto © Laura Stevens, manager magazin

Ein Mann und eine Frau in Businesskleidung sitzen auf Barhockern und schauen in die Kamera

Volker Oshege und Rita Helter, Vorstand Viadee, Screenshot Sheconomy, 29.11.2023 Foto © Viadee

4. Beide Beine fest auf dem Boden

Auch mit der Regel, dass beide Beine fest auf dem Boden stehen sollen, lässt sich spielen – mit Vorsicht. Große Menschen in Hosen können auf einem Barhocker entspannt und gleichzeitig souverän wirken, kleine im Rock dagegen sehr unentspannt.

Ob Posen passen oder „komisch“ sind, da sieht Katharina Bosse „die Verantwortung eher bei den Fotografen oder Fotografinnen. Wir sind ja die Profis. Gerade wenn Menschen nicht so oft fotografiert werden, dann muss man coachen.“

Porträtfotografie: Pressefotos vs. Editorials

Viele der verwendeten Bilder von Führungsfrauen kommen von den Unternehmen selbst, so auch bei dem Ranking der 100 Frauen. Gerade Online-Nachrichtenseiten bedienen sich oft bei den kostenfreien Pressefotos.

Die freie Fotografin Melina Mörsdorf erklärt den Unterschied: „Die Corporate Fotos sind häufig sehr hell, sehr energetisch, ein bestimmtes Bild des Unternehmens soll transportiert werden. Es geht nicht um die Person. Bei Editorials dagegen gibt sich der Fotograf oder die Fotografin Mühe, die Persönlichkeit einzufangen.“

Besonders gut ist das bei der schwedischen Ingenieurin und Nutzfahrzeug-Managerin Karin Rådström zu sehen, Vorständin der Daimler Truck AG: Fotoshootings von Focus Magazin und Süddeutscher Zeitung zeigen sie nachdenklicher und femininer als die Pressefotos von Mercedes.

3 x Karin Rådström

Blonde Frau mit gelbem Oberteil vor einem dunkel-grün-türkiser Wand

Screenshot SZ, 13.11.2023
Foto © Friedrich Bungert

Portrait der gleichen blonden Frau

Screenshot Automobilwoche, 1.5.2020
Foto © Daimler

Vorständin Daimler Truck AG

Eine Reihe von LKWs. Blonde Frau lehnt sich an die Front des vordersten Lasters

Screenhot Stuttgarter Nachrichten, 3.5.2021
Foto ©Daimler Truck AG

Eigene Bildsprache großer Print-Medien

Für Interviews oder Porträts nehmen die großen Print-Magazine Geld für Foto-Shootings in die Hand, weil ihnen die eigene Bildsprache wichtig ist. Und sie setzen dabei auch Führungsfrauen ins Bild. Das manager magazin hat zum Beispiel Anfang Januar 2024 „Die Top-Saniererinnen der deutschen Wirtschaft“ vorgestellt: fünf „Krisenmanagerinnen“ mit Foto, mal als Porträt, mal als Ganzkörperaufnahme.

Die Bilder stammen aus hochwertiger, teils eigener Produktion oder von renommierten Agenturen. Der Hintergrund bei drei Fotos ist eher „duster“. Vier der Frauen blicken – offenbar im Trend – nicht in die Kamera.

Für das Frauen-Ranking hat das manager magazin jedoch auch aus dem eigenen Archiv fast durchweg Bilder mit dem Blick direkt in die Kamera ausgesucht. Alle tragen Blazer in kräftigen Farben, von Dunkelrot über Pink bis Königinnenblau – so als wären sie bei Angela Merkel in die Schule gegangen.

Wie sich Businessfotografie verändert

Knallige Farben oder ein strahlendes Weiß, das ist gerade ein Trend bei erfolgreichen, selbstbewussten Frauen. Darin sind sich Fotografinnen und Coaches einig.

Viele wählen aber doch lieber Anthrazit oder Dunkelblau. Der Blazer ist noch Standard, gelegentlich tragen sie Kleid, Pulli oder Lederjacke. Aber auch Männer greifen zu bunten Krawatten, dem Sportblouson oder lassen den Schlips weg und den Kragen offen. Die Regeln sind für beide Geschlechter selbst auf Führungsebene lockerer geworden – abhängig auch von der Branche.

„Da ist etwas in Bewegung gekommen“, sagt Katharina Bosse. „Es geht weniger um Macht, mehr um Ansprechbarkeit. Insbesondere auf Instagram ist dieser nahbare Look wichtig. Und seit dem Aufkommen der Sozialen Medien hat sich auch die Businessfotografie verändert.“ Gerade jüngere Managerinnen in der Digitalbranche inszenieren sich auch mal sehr weiblich, tragen selbstbewusst kurzen Rock oder tiefen Ausschnitt.

Junge Frau mit langen Haaren sitzt auf einem blauen Sofa und schaut zur Seite

Zur Seite schauen, selbstbewusstes Porträt im neuen Style
Foto © Sapna Richter

Tschüss Selfie-Blick! Selbstdarstellung im Business

„Bei Frauen gibt es wahnsinnig viel Spielraum – der ermöglicht mehr Fehltritte aber auch mehr Möglichkeiten der Selbstdarstellung“, sagt Fotografin Julia Steinigeweg. „Das wissen manche für sich zu nutzen.“ Doch sie achtet mit darauf, dass die Kleidung nicht verrutscht ist, die Haltung stimmt und die Frauen „keinen Selfieblick“ haben. „Das ist für mich ein Solidaritätsding.“

Yasmin Fahimi hat sie übrigens beim Shooting ganz oben auf die Brüstung gesetzt, im monumentalen Treppenhaus, weil sie dachte „die kann das vertragen“. Das Bild kam nicht ins Blatt, steht aber am Anfang ihrer Website zum Shooting.

Für die richtige Darstellung von Führungsfrauen hat Julia Steinigeweg jedoch eine ganz radikale Idee: „Fotografie ist ja letztlich oberflächlich. Vielleicht sollte eine Redaktion mal ganz bewusst auf den Körper verzichten und Taten sprechen lassen. Und dann offenlegen, dass man auf ein Foto verzichtet hat, damit sich die Lesenden selbst ein Bild von der Person machen können.“

So gelingen Porträts von Topmanager*innen

  • Achten Sie darauf, Führungsfrauen und -männer im Bild gleichwertig darzustellen – sei es gemeinsam auf einem Foto oder bei der Auswahl von Einzel-Porträts für einen Beitrag. Sind nur Frauen im Bild, hilft die Frage: Würde ich einen Mann auch so abbilden?
  • Gleichwertigkeit kann durch Aufnahme und Auswahl entstehen: Welchen Bildausschnitt oder welche Einstellungsgröße wähle ich – den ganzen Körper oder nur das Gesicht? Welche Kameraperspektive – von unten, von oben oder auf Augenhöhe? Wer steht im Vorder- oder im Hintergrund?
  • Auch die Haltung, Gestik und Mimik der Personen im Bild kann einen Unterschied machen. Hier ist die Entscheidung nicht immer ganz einfach: Inszeniert sich die Person bewusst selbst so und nicht anders – oder wurde von außen eingegriffen?
  • Den Raum beachten: Architektur kann Macht ausstrahlen – aber vor allem die Art und Weise, wie eine Person den Raum einnimmt.
  • Dominanz ist nur eine Führungseigenschaft – und vielleicht nicht die beste. Warum also nicht auch mal Spitzenpersonal zuhörend, zugewandt oder lächelnd abbilden? Aber dann bitte alle Geschlechter!
  • Verschiedene Faktoren können zusammenwirken, eine mathematische Gleichung gibt es dafür nicht. Deshalb gilt: Bewusst hinsehen und entscheiden.
  • Wer Stereotype kennt und wahrnimmt, kann vielleicht auch damit spielen – oder die Abgebildeten damit spielen lassen. Nur sollte immer hinterfragt werden, ob das bei den Betrachtenden auch so ankommt und nicht doch Vorurteile bedient.

Wie häufig erscheinen Führungsfrauen mit Bild in den Medien?

Dazu ließen sich leider keine aktuellen Studien finden – weder in der Literatur noch auf Anfrage bei Medien, Gender-oder Bildwissenschaftler*innen. Untersuchungen sind veraltet, beschäftigen sich nur mit politischem Personal oder mit Texten, nicht mit Fotos. 2010 hatte das Forschungsprojekt „Spitzenfrauen in den Medien“ zumindest mal in Presse, Publikumszeitschriften und Fernsehen nachgezählt, wie oft die erwähnten Führungskräfte in der Wirtschaft weiblich waren. Das magere Ergebnis: gerade mal eine von 20.

Zum Vergleich eine kleine aktuelle, Stichtagszählung: Nicht repräsentativ, sondern dort, wo die meisten Köpfe aus der Top-Etage im Bild zu finden sind – bei manager-magazin.de, dem Webauftritt des „Leitmediums und Impulsgebers für Entscheider:innen und Führungskräfte“.

Am 15. Februar 2024 gab es auf den ersten zehn Seiten im Ressort „Unternehmen“ rund 200 Meldungen, erschienen über einen Zeitraum von etwa drei Wochen. Auf rund der Hälfte der Teaserbilder waren Führungskräfte von Unternehmen zu sehen – meist ein, manchmal mehrere Personen. 78 Fotos zeigten Männer, neun nur Frauen, sieben beide Geschlechter. Knapp jede fünfte war also eine Frau.

Hinweis: Ein Vergleich mit anderen Fachmedien war nicht ergiebig. Wirtschaftswoche und Handelsblatt bebildern ihre Online-Nachrichten im Unternehmensressort fast ausschließlich unpersönlich, etwa mit Fotos von Produkten oder Firmenzentralen.

Eine von fünf – das entspricht ungefähr dem Frauenanteil in den Vorständen der rund 180 Unternehmen, die an der deutschen Börse notiert sind. 2010 dagegen lag er im Vorstand der Top 100 Unternehmen nur bei einem Prozent, so der Führungskräftemonitor des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).

Das erklärt vielleicht teilweise die Medienpräsenz. Denn die Vorstandsetage der großen Firmen steht oft im Fokus der Berichterstattung. Weniger der Aufsichtsrat oder die unteren und mittleren Führungsebenen, wo es mehr Frauen gibt. Aber auch internationale Köpfe spielen eine Rolle – allen voran Elon Musk. Mehr Forschung wäre also aufschlussreich.

Portrait Angelika Knop

© Christiane Kappes

Angelika Knop

Gastautorin

Als Journalistin und Moderatorin, berichtet Angelika Knop über Recht und Justiz, Medien und Frauenpolitik. Als Dozentin für Journalistik bringt sie ihren Studierenden näher, wie sie verantwortungsvoll mit Daten, Sprache und Bildern umgehen. Ihr Credo: Kritisch sein – auch sich selbst gegenüber, Fehler entdecken, dazulernen, Neues ausprobieren.

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