Das Karohemd ist bauchfrei geknotet, die Handschuhe neu. Die Locken der jungen Frau fallen hübsch drapiert von ihren Schultern. Sollte sie die Bohrmaschine in ihren Händen tatsächlich in Gang setzen, wäre die schöne Haarpracht in Gefahr, sich in dem rotierenden Bohrer zu verfangen. Mega gefährlich! Anderes Foto vor einer rosafarbenen Studiowand: Eine Frau im Pseudo-Handwerkerinnen-Outfit hält sich einen Hammer vors Gesicht, als hätte sie das Werkzeug noch nie benutzt. Wer in Suchmaschinen nach Bildern zum Thema „Handwerkerin“ sucht, findet merkwürdig inszenierte Fotos. Sie vermitteln ein falsches Bild von Frauen in Handwerksberufen.
Wir haben solch gestellte Handwerkerinnenfotos einer Zweiradmechanikerin, einer Tischlerin und einer Fliesenlegerin gezeigt und sie gefragt: Sehen so Handwerkerinnen aus? Und: Welches Bild wünscht du dir? Die Videos veröffentlichen wir nach und nach bei Instagram (@bildermaechtig.de).
Fotos im Reality-Check
„Mehr Sex als Handwerk,“ kommentiert Michaela Mocke das merkwürdige Hammer-Foto: „Ich weiß nicht, warum man so staunen muss, wenn man einen Hammer hält. Das ist sicher keine Handwerkerin,“ ergänzt die selbstständige Zweiradmechanikerin mit Meisterabschluss und lacht herzhaft. Mit Blick auf das Werkzeug in ihrer Hand sagt sie: „Mein Bild ist ganz klar in der Werkstatt, am Fahrrad, mit schmutzigen Händen.“ Michaela Mocke bietet im Havelland den mobilen Fahrradreparaturdienst arcum-nova.de an, online buchbar. In den Wohnsiedlungen im Speckgürtel von Berlin ist manchen der Weg zum nächsten Fahrradladen zu weit. Stattdessen kommt sie mit ihrem Werkstatt-Transporter vors Einfamilienhaus gefahren und repariert an Ort und Stelle kaputte Bremsen, platte Reifen und ausgefallenes Fahrradlicht.
→ Video Michaela Mocke bei @bildermaechtig.de/Instagram
„Es macht ein falsches Bild vom Handwerk, und ein falsches Bild von Frauen im Handwerk“, kommentiert die Tischlerin Jule Kürschner die Fotos, die wir ihr zeigen. Vorsichtig ergänzt sie: „Selbst ich als Mensch ohne Vorurteile würde denken, das sind keine Handwerkerinnen.“ Sie ärgert sich, wenn sie seriös gemachte Artikel entdeckt, die mit solch inszenierten Fotos ausgestattet sind. Kürschner ist Tischlermeisterin und eine von zwei Geschäftsführerinnen der Tischleria GmbH in Berlin, spezialisiert auf Entwurf und Bau von Möbeln. Ihr liebstes Bild ist, wie sie in ihrer Werkstatt arbeitet, voll konzentriert auf das Sägen mit ihren schweren Maschinen.
→ Video Jule Kürschner bei @bildermaechtig.de/Instagram
Margit von Kuhlmann von der Initiative Klischeefrei kennt derartige Fake-Handwerkerinnen-Portraits: „Solche Bilder zementieren nicht nur Geschlechterklischees“, kritisiert von Kuhlmann, „sondern auch Klischees über das Handwerk. Im Hinblick auf den Fachkräftemangel ist das kein gutes Zeichen“.
Klischees abbauen, Vorbilder aufbauen
Die Initiative Klischeefrei setzt sich für eine geschlechtergerechte Studien- und Berufswahl ein. In dem Bündnis, das die Bundesregierung initiiert hat, haben sich Verbände, Initiativen und Hochschulen, sowie Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber aus der Wirtschaft zusammengeschlossen. Eine aktuelle Umfrage unter den mehr als 400 Partnerorganisationen ergab, dass sich allesamt klischeefreie Bilder wünschen. Margit von Kuhlmann präzisiert: „Wir benötigen realistische Darstellungen von Berufen, und von Frauen und Männern in diesen Berufen. Bevorzugt sind das in unserem Fall Frauen in männerdominierten Berufen und Männer in frauendominierten Berufen. Die Geschlechter sollten auf Augenhöhe dargestellt sein.“
Bilder spielen eine zentrale Rolle, um Klischees ab- und Vorbilder aufzubauen, weiß auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). Er betreibt die Imagekampagne „Das Handwerk“ mit Berufs-Insider-Videos, Kurzportraits und etlichen Kampagnenbotschafterinnen und -botschaftern. „Wir bieten echten Handwerkerinnen und Handwerkern eine Bühne, selbst zu zeigen, wie das moderne Handwerk aussieht.“ Der Maßstab ist authentisches und ausdrucksstarkes Bildmaterial: „Mit der Imagekampagne wollen wir inspirieren und zeigen, wie spannend das Handwerk ist und die Menschen, die es ausüben.“
Dachdeckerin, Sattlerin oder Kirchenmalerin sind einige Frauen von Beruf, die sich mit der Kamera bei der Arbeit beobachten ließen. Dazu Elektrotechnikerin und Maurerin – in all diesen bisher von Männern dominierten Berufen arbeiten Frauen mit Begeisterung für ihr Handwerk. Wer diese Videos sieht, kann mühelos die Fakefotos aus der Datenbank von Bildern mit echten Arbeitssituationen unterscheiden. Ein Hinweis ist immer der Blick auf die Hände: leicht schmutzig und oft kurze Fingernägel. „Mit Nagellack komme ich nicht mehr weit. Schafferhände habe ich bekommen,“ sagt zum Beispiel Annika Goebel, die Elektrotechnikerin.
Sexy Fotos – für die Imagepflege ungeeignet
Wenn es so viele gut gemachte Handwerkerinnen-Portraits gibt, warum poppen dennoch die merkwürdigen Fakefotos bei der Bildersuche auf? „Fotos mit sexuellen Andeutungen sind eine beliebte Masche, um Klicks und Traffic zu generieren“, erklärt die Fotografin Sabine Pallaske. Sie ist Spezialistin für Bilddatenbanken und der Lizensierung von Bilderzeugnissen. Mit geübtem Blick erkennt sie sofort die Anzeichen, warum solche Fotos alles andere als authentisch sind: Angefangen vom einfarbigen Studiohintergrund statt einer Baustelle, über die nigelnagelneuen Werkzeuge, die noch kein einziges Mal zur Arbeit eingesetzt wurden, bis hin zur sexy Aufmachung des jungen Models.
Solche Bilder findet Pallaske in so genannten Microstockdatenbanken und nur ausnahmsweise bei den seriösen Großanbietern. Die Fakefotos werden jedoch oft heruntergeladen, vielleicht auch einfach nur zum Amüsement, vermutet sie. Aber die hohen Klickzahlen halten diese Bilder weit oben in der Flut des Bilderangebots. Wichtig ist der Hinweis von Sabine Pallaske: „Für die Bebilderung journalistischer Produktionen sind solche Fotos nicht geeignet.“
Damit Handwerksbetriebe und -organisationen für ihre Websites, Flyer oder Broschüren nicht auf Stockfotos zurückgreifen müssen, bietet die „Aktion Modernes Handwerk“ (AMH) eine eigene Bild-Datenbank. Sie stellt Mitgliedern der AMH – Handwerkskammern, Fachverbände, Innungen, Betriebe usw. – authentische Fotos aus dem Arbeitsalltag zur Verfügung. Auch die Online-Redaktion des Zentralverbands ZDH nutzt die Datenbank, die „echte Handwerkerinnen und Handwerker in gewerkespezifischen Bilderreihen zeigt“.
Das Angebot mit authentischen Bildern kann helfen, Sexismen in der Imagepflege zu verhindern. Der deutsche Werberat erteilt regelmäßig Unternehmen wegen sexistischer Werbung eine öffentliche Rüge, wenn durch die „Art der Abbildung in Kombination mit dem Slogan das Model als reines Sexualobjekt dargestellt und als Blickfang ohne Produktbezug benutzt“ wird, Ziffer 4 und 5 der Verhaltensregeln des Deutschen Werberates. Oft trifft die Rüge kleinere Handwerksbetriebe, die sich trotz Aufforderung ihrer örtlich zuständigen Handwerkskammer nicht von ihren sexy Motiven abbringen ließen. Einige Hinweise kamen über die werbemelder.in. Die Hamburger Initiative Pinkstinks sammelt online Belege für sexistische Werbung. Mit wenigen Klicks lassen sich dort Fotos hochladen. Pinkstinks zählt mit: Über 12000 Meldungen sind schon bei ihrer Meldestelle eingetroffen.
Authentische Fotos für die Medien
Bildermächtig lenkt dagegen den Blick auf Sexismen in journalistischen Produkten. Hier gilt es den Anspruch an Wahrhaftigkeit einzuhalten. Die Fakefotos wären ein Fehlgriff beispielsweise in der Bebilderung von Berichten über Karrieremöglichkeiten im Handwerk. Im Journalismus kommt es auf die realistische Darstellung an.
Deshalb zurück zu den Handwerkerinnen unserer Instagram-Kampagne. Melanie Horgas ist Fliesenlegermeisterin. Der Beruf ist sehr männerdominiert, es gibt nur wenige Frauen und erst recht nur wenige Meisterinnen. Horgas hat ihren Berliner Betrieb Fliesenlegermeisterin genannt. Mit ihren Mitarbeitern, alles Männer, ist sie spezialisiert auf individuelle Fliesenarbeiten, vom kleinteiligen Mosaik bis hin zum Einbau von Fliesen mit der beachtlichen Größe von 3,20 m. Gern würde sie Frauen beschäftigen oder ausbilden. Über die Arbeitsagentur Bewerberinnen zu finden, war bisher erfolglos.
Bei unserem Videodreh legt Melanie Horgas für einen Moment die Flex aus der Hand, um die mitgebrachten Fotos von angeblichen Handwerkerinnen auf dem Smartphone anzuschauen. Fassungslos sagt sie: „Das ist traurig, dass man als Frau so hingestellt wird, als wenn man nur seinen Körper hat. Absolut unpassend.“ Auf einem echten Foto, sagt Melanie Horgas, wäre sie „verschwitzt, schmutzig, aber glücklich und zufrieden“.
→ Video Melanie Horgas bei @bildermaechtig.de/Instagram
Frauen im Handwerk
Der Zentralverband des Deutschen Handwerks ist Partner von Initiativen wie „Girls‘ Day“, „Klischeefrei“ oder „Erfolgsfaktor Familie“. Zusätzlich begleitet und unterstützt der ZDH die Arbeit der UnternehmerFrauen im Handwerk e.V., der größten weiblichen Interessenvertretung im Handwerk. In der Übersicht des ZDH zu „Frauen im Handwerk“ sind Informationen, Initiativen, Aktionspläne, Geschichten und Zahlen zum Thema gebündelt.
Christine Olderdissen
Genderleicht & Bildermächtig Projektleiterin
Als das erste Mal eine Interviewpartnerin mit dem Glottisschlag sprach, war das für sie ein Signal: Schluss mit dem generischen Maskulinum, lieber nach einer sprachlichen Alternative suchen. Eine einfache und elegante Lösung findet sich immer. Lange Zeit Fernsehjournalistin galt ihr Augenmerk schon immer der Berichterstattung ohne Stereotype und Klischees.
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