Gendern und Gender-Medizin werden oft als ein und dasselbe verstanden. Gendern in der Sprache und die medizinische Forschungsrichtung Gender-Medizin haben vielleicht ähnliche Ziele, doch aus anderen Beweg- und Hintergründen.
Gendern in der Medizin
Ärztinnen und Ärzte, die gendersensibel sprechen und zum Beispiel den Gender-Gap nutzen, befassen sich nicht automatisch auch mit Gender-Medizin. Durch ihr Sprechen mit dem Gap fördern sie jedoch das Bewusstsein, dass es ein breites Spektrum an Geschlechtern gibt.
Wir haben den Vortrag „Geschlecht und Medizin“ der Ärztin und Wissenschaftlerin Dr. med. Amma Yeboah an der Universität zu Köln besucht und ihre aktuellen Ergebnisse und Ansichten zusammengefasst. In der Einführung betonte sie, dass das Thema auch heute noch Potenzial zum Sprengstoff habe. Positiv überrascht hat uns, dass sie den Gender-Gap durchgehend im Vortrag und in ihrer Alltagssprache nutzt.
In der Medizin gab es lange Zeit nur zwei Geschlechter
Aus medizinischer Sicht ist eine klare Differenzierung zwischen weiblich und männlich nicht immer möglich. Dass weitere Variationen zwischen den Geschlechtern bestehen, ist in der Medizin angekommen. Inzwisschen ist bewusst von einem „Spektrum der Geschlechter“ die Rede.
Das Geschlecht wird heute anhand mehrerer Merkmale bestimmt und nicht nur durch einen kurzen Blick auf die Geschlechtsteile. Das Geschlecht lässt sich erkennen an: Chromosomen, Zellen, äußeren und inneren Geschlechtsorganen, Hormonen, körperlichen Merkmalen sowie am psychischen Verhalten.
Das neue Bewusstsein über die Vielfalt der Geschlechter durch die Forschung hat positive Auswirkungen auf unser gesellschaftliches Zusammenleben, aber auch auf Entstehung und Umgang mit Krankheiten.
Die Gender-Medizin weitet den Blick
Seit 15 Jahren ist Gender-Medizin an der Charité in Berlin ein Forschungsfeld. Am Institut für Geschlechterforschung geht es um Entstehung, Verlauf, Diagnose und Therapie von Krankheiten – bezogen auf das Spektrum der Geschlechter. Beispielweise stellten Mediziner_innen fest, dass Männer und Frauen unterschiedlich auf Medikamente reagieren; einige Medikamente erzielen bei Frauen nicht die Wirkung, die sie haben sollen. Das liegt daran, dass die meisten Studien lange Zeit nur an Männern durchgeführt wurden. Die Gender-Medizin setzt sich dafür ein, dass es mehr weibliche und diverse Proband_innen gibt. Ziel der Gender-Medizin ist es, die beste medizinische Versorgung für alle Geschlechter zu ermöglichen.
Gender-Medizin und Gendern in der Sprache haben somit ganz klare Gemeinsamkeiten – den Weitblick und das Bewusstsein, dass in unserer Gesellschaft mehr Geschlechter als nur weiblich und männlich existieren. Bezogen auf die Historie und die einseitige Forschung mit männlichen Probanden fordern die Vetreter_innen der Gender-Medizin einen verstärkten Blick auf Frauen und Gender Mainstreaming.
Mehr Informationen zum Thema
Arbeitsgemeinschaft der Frauen- und Geschlechterforschungseinrichtungen Berliner Hochschulen
Anna E. Poth
REFERENTIN GENDERLEICHT.DE
Anna E. Poth diskutiert viel und gerne, um andere Leute zum Umdenken und Hinterfragen anzustoßen. Das gendergerechte Sprechen lässt sie auch als Theaterregisseurin noch sensibler auf ihr Gegenüber eingehen. Ihre journalistischen Projekte können zudem auf der Bühne wiedergefunden werden.
Ideen und Impulse
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