Wenn es ums Gendern geht, scheinen sich die Jüngeren damit leicht zu tun, insbesondere an den Universitäten. Das gegenderte Partizip „Studierende“ hat bereits das Wort „Studenten“ abgelöst. Viele junge Leute sprechen auch den Gender-Gap ohne ins Stocken zu geraten.
Aber ist das mit der geschlechtergerechten Sprache wirklich so easy? Und welche Rolle spielen dabei Medienberichte zum Gendern? Wir haben Studierende gefragt – Sieben Interviews in sechs Tagen.
Genderleicht.de im Gespräch mit Studierenden
Unsere Blogserie zum Semesterstart
#2 Arne, Masterstudent der Physik
Wenn er spät dran ist und schnell fährt, nimmt sich Arne gerne ein Wechselhemd mit, um sich vor der Vorlesung noch umzuziehen. Fahrrad, Helm und seine rote Fahrradtasche gehören zu dem 25-jährigen Physikstudenten dazu, so wie die Selbstverständlichkeit, dass das Klima geschützt werden muss und Alle etwas dazu beitragen sollten. Gendern hat keine Priorität für ihn, aber er hat durchaus Erfahrung damit.
Wie stehst du zum Gendern?
Die allerersten Kontakte mit gendergerechter Sprache stellten eher eine Abwehrhaltung meinerseits dar. Ich fand, dass es eine Verkomplizierung ist und auf umständliche, unpräzise Begriffe gewechselt wird. Mittlerweile suche ich eher spielerisch nach einer flüssigen gendergerechten Sprache.
Wann bist du das erste Mal mit gendersensibler Sprache in Berührung gekommen?
Freunde von mir haben vor ca. vier Jahren angefangen, mit der Sprache zu spielen. Ein Freund hat seine Bachelorarbeit komplett gegendert verfasst. Das Thema war „Verkörperung von Utopien im HipHop“, also da war das Gendern auch ganz klar ein politisches Zeichen.
Sprichst und schreibst du immer und überall gendersensibel? Ist das im Uni Kontext so einfach?
Teilweise mache ich das schon bewusst und aber auch mit nachträglicher Korrektur. Bei der Wortwahl „wie jeder“ oder bei Berufsbezeichnungen fällt es mir meist selbst auf. Im Institut haben wir schon Flyer rumliegen, aber da orientiert sich eigentlich niemand dran.
Hast du Änderungen bei dir selbst bemerkt, wie fühlst du dich angesprochen?
Ich fühle mich am wenigsten vor den Kopf gestoßen, wenn die gendergerechte Wortwahl geschickt und flüssig ist. Oder kreativ ist und man anstatt „man“ Mensch benutzt oder anstelle von „jede*r“ Alle.
Ist dein Bewusstsein in den letzten Jahren auch durch die Genderdebatte in den Medien gestiegen?
Mit Sicherheit bin ich sensibler in Bezug auf die gegenderte Begriffswahl geworden. Werden jetzt Spitzenkandidaten für die Wahlen von Sachsen und Brandenburg vorgestellt, so bin ich positiv überrascht bei Dannenberg, Nonnenmacher und Meier die Formulierung „drei der 12 Kandidierenden“ zu finden. Das ist eher die Ausnahme. Gewisse Bereiche lernen sehr langsam und mensch will doch meinen, gerade aus Nachrichten sollten Blueprints für geschickte, tagesaktuelle Sprachwahl kommen können.
Gibt es einen Moment oder eine Situation, die dich besonders überrascht hat?
In der Kohledebatte hier im Rheinland werden regelmäßig Jugendliche oder Journalist*innen von Politikern persönlich angegangen. Die sagen dann: „Du kannst hier nicht protestieren, da hängt doch auch die Existenz deiner Eltern dran. Was würde dein VATER ohne Energie aus Kohle arbeiten?“ Dass sie nur über den Vater reden und die Mutter keinen Job hat, zeigt doch, wie verstaubt deren Gedankengut ist.
Jeden Tag ein Gespräch mehr
#1 Jana, Studentin der Sozialen Arbeit (7.10.19): „Ich freue mich sehr, wenn Leute gendern.“
Tipps fürs Gendern beim Schreiben und Sprechen
… finden Sie bei Tipps & Tools
Studierenden empfehlen wir Sprachleitfäden der TU Berlin, TU Dresden und der Uni Köln auf unserer Seite Wissen.
Anna E. Poth
REFERENTIN GENDERLEICHT.DE
Anna E. Poth diskutiert viel und gerne, um andere Leute zum Umdenken und Hinterfragen anzustoßen. Das gendergerechte Sprechen lässt sie auch als Theaterregisseurin noch sensibler auf ihr Gegenüber eingehen. Ihre journalistischen Projekte können zudem auf der Bühne wiedergefunden werden.
Genderleicht.de
Auf Genderleicht.de finden Sie nützliche Tipps & Tools, wie Sie diskriminierungsfrei schreiben und sprechen, sowie Argumente und Fakten für die gendersensible Medienarbeit.