Fotoprojekt
Königinnen in Kleid oder Hose


Spargelkönigin, Bierkönigin, Rosenkönigin – mit Krönchen und Schärpe, Dirndl oder Abendkleid, repräsentieren junge Frauen die landwirtschaftlichen Produkte ihrer Region. Das Konzept wirkt aus der Zeit gefallen, stehen die Produktbotschafterinnen doch oft nur als weiblicher Hingucker neben Bauernpräsidenten und Landwirtschaftsministern herum, als Heidekartoffelkönigin, Honigkönigin oder Rapsblütenkönigin.
Wirklich nur Lächeln und Händeschütteln? Nein, es gehört mehr dazu! Fakt ist: Wer Königin werden will, muss sich um dieses Ehrenamt bewerben, agrarisches Wissen ist gefragt. Die Repräsentantin muss Fachgespräche führen können und selbst aus der Landwirtschaft kommen, am besten mit abgeschlossener Ausbildung oder Studium. Die jungen Frauen gelten nahbarer als mittelalte Funktionäre im Anzug. Bei Festen oder Tagen der offenen Tür werden sie mit allerlei Fragen bestürmt, müssen Einblick geben, wie es wirklich bei der Herstellung von landwirtschaftlichen Produkten zugeht. Zwei, drei junge Könige gibt es übrigens unter den über hundert Produktköniginnen und -prinzessinnen mittlerweile auch. Majestätischer Höhepunkt ist die Königinnenparade bei der Grünen Woche in Berlin, Deutschlands größte Agrarmesse jedes Jahr im Januar.
Unsere Fotosession
Wie sehen die landwirtschaftlichen Produktbotschafterinnen bei ihrer Arbeit aus, die ehrenamtliche Tätigkeit und die zum Geldverdienen? Für Bildermächtig haben wir zwei Königinnen bei der Brandenburger Landpartie fotografiert, im feierlichen Ornat und in ihrer Arbeitskleidung. Wir wollten wissen, wer ist das überhaupt, die mit so viel Liebe die Landwirtschaft präsentieren?
Die Fotosession hat Ronka Oberhammer konzipiert, fotografiert hat Anita Back, Fotografin in Berlin.
Milchkönigin Lara Vollbort


Lara Vollbort
Brandenburger Milchkönigin 2024/25
Lara Vollbort ist Fütterungsberaterin.
Nach dem Abitur hatte sie ein Freiwilliges Ökologisches Jahr auf einem Mutterkuhbetrieb und danach ihren Bachelor in Agrarwissenschaften und später den Master in Pflanzenproduktion und Umwelt gemacht. Sie stammt aus einem Dorf in Märkisch-Oderland und ist 26 Jahre alt.
Lange Robe, Krönchen, Schärpe: Ist dieses superfeminine Königinnen-Outfit überhaupt zeitgemäß für die Landwirtschaft?
Ich finde es schön, dass ich als Milchkönigin einen Blickfang darstelle. Durch die Kleidung hebe ich mich bei Veranstaltungen von den normalen Besuchern deutlich ab und werde besser wahrgenommen.
Ich bin gerade eben in meiner Arbeitshose über den Platz gelaufen und da kommen die Leute nicht so auf mich zu. Durch meine Milchköniginnen-Tracht gewinne ich Aufmerksamkeit und kann meinen Standpunkt und auch die Standpunkte der Milchviehbetriebe und Milchwirtschaft super darstellen.
Man sollte zwischen den Geschlechtern nicht so sehr unterscheiden. Machen, glaube ich, die wenigsten, aber einige Frauen sehen das anders. Ich möchte, dass meine Kompetenz gesehen wird, auch wenn ich relativ klein bin und relativ jung aussehe. Warum sollte ein Mann mehr Kompetenz haben als eine Frau?


Erntekönigin Pauline Hirschberg


Pauline Hirschberg
Brandenburger Erntekönigin 2023/24
Pauline Hirschberg macht eine Ausbildung zur Landwirtin, im Rahmen eines dualen Bachelorstudiums in Agrarwissenschaft. Die 20-Jährige stammt aus einem Dorf im Havelland. Sie fährt mit schweren Landmaschinen und möchte Rinderzüchterin werden, am besten in leitender Position. Seit 2022 ist sie Brandenburger Erntekönigin.
Ist das Trachtenkleid das Erkennungszeichen für Landfrauen?
Bei uns eigentlich eher weniger. Als Erntekönigin ist das einfach meine Arbeitskleidung. Die Landfrauen im Bereich Oberhavel, die finden solche Kleider gut und nähen sich ihre Kleider zum Teil selber. Die jüngeren Landfrauen, die bedrucken sich T-Shirts und designen ihre eigenen Logos. Zum Beispiel gibt es in der Prignitz die Länderinnen. Die haben sich bewusst diesen Namen gegeben, weil sie vom Klischee der Landfrau wegwollen. Die laufen in ganz modernen Klamotten rum. Es ist also nicht zwangsläufig so, dass so ein Kleid zur Landfrau gehört. Da erfinden sich die jeweiligen Ortsgruppen immer neu.
Bei Landfrauen denken die meisten immer noch an die alten Frauen aus dem Dorf, die Seniorinnen, die nachmittags zusammensitzen, häkeln, stricken und Kuchen backen. Das gibt es in dieser Form auch, aber wir Landfrauen wollen jünger werden. Wir wollen die Weiblichkeit im ländlichen Raum zeigen. Viele arbeiten noch in der Landwirtschaft, in Brandenburg ist jede dritte Arbeitskraft in der Landwirtschaft eine Frau. Wir wollen als Landfrauenverband die Nachhaltigkeit, dieses Leben im ländlichen Raum, den Menschen näherbringen.
Landwirtschaft ist wichtig, aber eben auch das dörfliche Leben, die Gemeinschaft. Bei mir im Heimatort wurde vor kurzem eine Ortsgruppe gegründet. Die Powerfrauen heißen die. Da ist keine einzige Landwirtin dabei. Das ist ja auch nicht Pflicht, es geht um Frauen aus dem ländlichen Raum. Die haben sich zusammengeschlossen, weil sie Leben ins Dorf bringen wollen, Veranstaltungen und kleine Feste. Jetzt gab es einen Flohmarkt, es wurde auch schon mal ein Nachbarschaftsfest im Park veranstaltet. So was machen die Landfrauen bei uns.


Als Erntekönigin belästigt: „Ich lass mir das nicht gefallen!“
Im Outfit der Brandenburger Erntekönigin hat Pauline Hirschberg auf der Grünen Woche 2024 das Havelland repräsentiert, zusammen mit Landrat, Landwirtschaftsdezernenten, Bürgermeistern und der Presse. Mitten im Getümmel machte sie verletzende Erfahrungen mit Sexismus und sexueller Belästigung durch Gaffer und Grabscher.
In der Bauernzeitung schrieb Pauline Hirschberg über die frauenfeindlichen Angriffe:
„Seit Beginn der Grünen Woche habe ich jeden Tag solche Situationen erlebt: anzügliche Sprüche, plumpe Anmachen, Beleidigungen, frauenfeindliche Kommentare, Beschimpfungen, ungebetene Berührungen. Letztlich habe ich an den letzten beiden Tagen das Kleid im Schrank gelassen und bin in Jeans & Poloshirt erschienen.
Im Nachgang der Messe ist mir erst richtig klargeworden, dass ich an keinem dieser Vorfälle eine Mitschuld trage, nichts, was ich getan habe, rechtfertigt so etwas; kein Kleid, kein Blick, keine Tätigkeit. Einzig die ‚Kommentatoren‘ tragen die Verantwortung für ihre Aussagen. Trotzdem macht es mich nachdenklich: Sollte unsere Gesellschaft nicht mittlerweile an einem Punkt sein, wo Frauen den gleichen Respekt für ihr Tun erhalten wie Männer?“
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