Fotoprojekt Führungsposition

Dunkelhaarige Frau stützt sich auf einen Tisch in herausfordernder Pose

Chefinnen, Topmanagerinnen oder Frauen im Vorstand großer Wirtschaftsunternehmen sind für gewöhnlich im mittleren Alter und einige auch mal grauhaarig.

Wie Männer in der gleichen beruflichen Situation haben sie ein paar Falten. Die Lebenserfahrung ist ihnen anzusehen.

Doch genau diese Fotos sind Mangelware.

Wer in  Bilddatenbanken nach Fotos sucht, die Frauen in einer Führungsposition darstellen, findet oft nicht das Richtige. Die Abgebildeten sind zu jung, zu blond, zu wenig divers. Dabei ist der Bedarf groß. Wenn es nicht um konkrete Personen geht, kommen Stockfotos zum Einsatz. Fotos, die auf Vorrat produziert werden, meistens mit Models, damit sie zur Bebilderung aller möglichen Themen passen. Möglichst echt, bitte schön!

Unsere Fotosession

Für Bildermächtig haben wir Fotos machen lassen, beispielhaft als Stockfotos gedacht, für das Thema Frauen in einer Führungsposition. Mit den Schauspielerinnen Ilknur Boyraz und Chun Mei Tan, konzipiert von Ronka Oberhammer, fotografiert hat Anita Back, Fotografin in Berlin. Wir wünschen uns mehr solcher Fotos in Bilddatenbanken.

Konzentriert am Schreibtisch

Frau mit grauen Haaren arbeitet konzentriert am Schreibtisch
Grauhaarige Frau in blauer Bluse sitzt am Schreibtisch mit Smartphone und denkt nach

Entschlossenheit zeigend

Dunkelhaarige Frau mit heller Bluse steht nachdenklich mit Aktentasche am Schreibtisch
Frau in dunkler Bluse stützt sich herausfordernd auf einen Tisch

Im Gespräch

Zwei Frauen im Businessoutfit sprechen miteinander
Im Gegenlicht: Zwei Frauen im Businessoutfit sprechen miteinander

Powerpose ohne Lächeln

Dunkelhaarige Frau im rosa Hosenanzug sitzt und telefoniert
Ältere Frau im blauen Anzug sitzt in einer machtvollen Pose auf einem Bürostuhl

Die übliche Bebilderung beim Thema Führungsfrauen ist oft dürftig. Kopflos, auf den Körper reduziert, auf Po und Pumps, diese Bilder ärgern die Frauen, die den Karriereweg erfolgreich beschritten haben. Das ist Alltagssexismus in der Wirtschaftsberichterstattung vieler Medien.

Ronka Oberhammer

ist Fotografin und arbeitet als Bildredakteurin bei einem Fernsehsender. Sie hat für Bildermächtig die Konzepte für unsere Fotoprojekte erstellt und mit verschiedenen Fotografinnen realisiert. Ronka Oberhammer stammt aus Österreich und lebt in der Nähe von Berlin.

Ein Gespräch über die Schwierigkeit, die richtigen Fotos zu finden, und wie es war, das Fotoprojekt „Frauen in einer Führungsposition“ für Bildermächtig umzusetzen.

Wie ist die Auswahl in den Bilddatenbanken beim Thema Führungsfrauen?

Wenn es um Frauen in der Arbeitswelt, Frauen in Führungsrollen, Quoten im Vorstand geht, fehlen uns Fotos. Zum Beispiel beim Thema: „Wie kann man Frauen stärken? Wie kann man Frauen fördern?“ Es gibt nur wenige Frauen in hohen Führungspositionen. Von denen haben wir Fotos. Aber wenn wir das Thema allgemein behandeln, passt es nicht, das Bild von einer konkreten Frau zu nehmen. Die steht nicht unbedingt für eine Allgemeinheit, sondern nur für sich. Von den Agenturen Bilder zu bekommen, die einen allgemeinen Bezug herstellen, ist schwierig. Das Bild mit den Frauenbeinen auf Pumps zwischen Hosenbeinen von Männern ist dann eben ein Hilfsmittel, um das Thema Frauen im Vorstand anonym zu bebildern.

Was machen Sie, wenn Sie nichts finden?

Ich muss zugeben, als Bildredakteurin habe ich schon mal bei Fotos den Kopf abgeschnitten, um die gewünschte Allgemeingültigkeit herzustellen. Denn wenn eine Person in die Kamera schaut, dann hat sie einen direkten Bezug zum Betrachter oder zur Betrachterin und steht als Person für etwas sehr Konkretes. Das Wegschneiden ist aber nur ein Hilfsmittel. Ich mache das nicht gerne.

Warum ist die Bildersuche beim Thema Führungsfrauen so schwierig?

Bei den Stockfotos sind die Models zu sehr als toughe Frauen inszeniert, viel zu jung für eine Führungsposition. Oft sind es zehn Jahre alte Bilder. Die Kleidung ist altbacken, die Bilder wirken unmodern. Oder es ist alles extrem US-amerikanisch, das sieht man auf den Bildern. Als Bildredakteurin denke ich: „Nein, ich suche ein authentisches Bild!“ Was wir brauchen, ist eine Mischung aus glaubwürdig und authentisch, aber trotzdem allgemein gehalten. Solche Bilder sind eigentlich kaum vorhanden.

Wann ist ein Bild „authentisch“?

Die inszenierten Bilder sind meist zu positiv. Es ist zwar schön, eine erfolgreiche Frau zu sehen. Eine Führungsfrau läuft aber nicht den ganzen Tag durch die Gegend und ist wahnsinnig stolz darauf, was sie erreicht hat. Sondern die macht einfach ihren Job und arbeitet konzentriert. Was ich üblicherweise suche, ist eine ernst dreinschauende Frau beim Arbeiten und im richtigen Alter, also nicht zu jung. Erfolgreich sind normalerweise eben nicht die 30-Jährigen, sondern eher die ab 45 aufwärts. Da muss ich sagen, solche Bilder gibt es viel zu Wenige. Wenn es mal eines gibt, dann nutzen es alle Medien.

Im Auftrag von Bildermächtig hatten Sie zusammen mit Anita Back freie Bahn, Bilder zu fotografieren, die Sie vermissen.

Wir haben versucht, genau das umzusetzen: Wie sieht eine Frau aus, die in einer Führungsrolle arbeitet? Die lächelt nicht immer, und die schaut auch nicht glücklich in ihren Computer oder freut sich beim Telefonieren. Das wissen wir doch alle selber, dass wir im Job nicht so vor uns hin strahlen. Wir würden auch nicht glücklich in die Kamera schauen, wenn es gerade stressig ist.

Unser Konzept war, dass die Frauen auf den Fotos nicht mit den Betrachtenden kommuniziert. Die Models schauen nicht in die Kamera. Sie konzentrieren sich auf das, was sie tun, sprechen mit jemandem. Sie machen typische Tätigkeiten, etwas, was sie in dieser Rolle typischerweise machen würden. Wir, bzw. die Kamera, beobachtet sie dabei. So wird das Bild allgemeingültig.

Was war nötig, damit die Models als Führungsfrauen erkennbar sind? Das kann schnell ins Stereotype abgleiten.

Es war für mich hochinteressant, auf die vielen Details zu achten, gewisse Beiwerke zu finden. Woran erkennen wir, dass es kein Null-acht-fünfzehn-Bürojob ist? Dass die Frau keine Sachbearbeiterin ist, sondern über eine Menge Geld oder über Menschen entscheidet, also einen hohen Managementposten innehat? Wir haben versucht herauszufinden, wie sind die immer gekleidet? Was tragen die für Schmuck? In welcher Umgebung sitzen sie?

Die Produktion von Stockfotos ist also eine ganz schöne Herausforderung.

Also was das betrifft, auf alle Fälle. Wir haben nach Räumen gesucht, die eine gewisse Großzügigkeit repräsentieren, eine Weltläufigkeit oder auch einen Blick über die Stadt. Führungskräfte haben nie ein ebenerdiges Büro, die sitzen immer in den obersten Etagen. Es sind deshalb immer große Räume, wo Spitzenleute fotografiert werden.

Bei der Kleidung genauso. Das sieht immer edel aus. Frauen in Führungsrollen sind tippi-toppi gekleidet. Dann haben wir aber auch überlegt, wie viel davon ist schon Klischee? Haben wir stereotype Vorstellungen davon, wie Topmanagerinnen aussehen? Haben wir das selbst schon beobachtet, ganz unmittelbar, oder kennen wir solche Frauen nur über Fotos in den Medien?

Meinen Sie, Sie sind durch die vielen Fotos aus den Bildagenturen „verblendet“, die Sie in der täglichen Arbeit durchforsten?

Das ist schon eine Gefahr. Tatsächlich habe ich aber Erfahrung mit Führungsfrauen. Ich habe selbst schon welche fotografiert. Bei Politikerinnen kann ich sagen, die achten extrem darauf: Wann werden sie fotografiert? Wie werden sie fotografiert? Sie bestimmen, wann sie überhaupt fotografiert werden dürfen. Die Wirkung nach außen ist wahnsinnig wichtig. Frauen, die exponiert sind, werden immer auch angegriffen, gerade für ihr Äußeres. Die wollen den Leuten keine zusätzliche Angriffsfläche bieten, indem sie irgendwie verknautscht durch die Gegend laufen, wenn das nicht gerade ihr Stil ist.

Ihre Fotos von den Führungsfrauen haben eine besondere Eleganz. Sind Sie zufrieden damit, oder hatten Sie überlegt, das noch zu steigern?

Beim Shooting dachte ich zwischendurch: „Hätten wir mehr Schmuck nehmen sollen?“ Aber es ist genau diese Gratwanderung: Zu viel Schmuck darf es nicht sein. Die Frau soll nicht so aussehen, als wenn sie zu sehr auf ihr Äußeres achtet. Ihre Qualitäten liegen woanders. Sie ist nicht in dem Job, weil sie gut aussieht, sondern weil sie das gut kann, dreimal so gut wie andere. Das haben wir, glaube ich, ganz gut getroffen.

Sie haben beim Shooting Regie geführt. Anita Back hat fotografiert. Wie lief die Zusammenarbeit?

Wir haben alle vier oft zusammen überlegt, was sieht gut aus? Zum Beispiel die Situation am Schreibtisch, mit dem Mantel über dem Arm. Da ist dem Model eingefallen: „Den kann man doch so drüber hängen.“ Ich dachte: „Ja, super. Sie kommt gerade ins Büro und das wirkt so normal.“

Was nicht gut funktioniert hat, war die Situation, wo sie sich auf den Tisch stützt. Ich hatte mir das als Machtgeste ausgedacht. Aber dann habe ich gemerkt, damit Führungsfrauen glaubhaft wirken, müssen sie in diesen raumnehmenden Posen wahnsinnig natürlich sein. Auch dieses Arme-verschränken, das oft gemacht wird, das muss natürlich wirken, oder das Aufstützen-irgendwo oder das Lässig-im-Sessel-lehnen. Das muss so wirken, als wenn sie nicht gerade über die Geste nachdenkt, sondern als ob sie das sowieso macht. Sie ist nicht erst seit gestern in dieser Führungsrolle, sondern hat Kraft ihres Amtes schon so viel Selbstbewusstsein, dass sie weiß, es ist egal, wie sie im Sessel hängt. Sie ist die Chefin, und nicht: Man muss so im Sessel sitzen, um diesen Raum zu beanspruchen.

Was ist beim Fotografieren mit echten Führungsfrauen anders?

Als Fotografin probiert man mit den Frauen immer gewisse Posen. Was bei der einen natürlich wirkt, geht bei der anderen überhaupt nicht. Beim Shooting muss die Führungsfrau aber selber sagen: „Das kann ich zwar machen, aber es wirkt für mich nicht natürlich. Ich würde mich eher an den Tisch setzen oder auf dem Stuhl nicht so nach hinten lehnen.“ Das machen sie aber eigentlich immer, dass sie mitdenken und mitreden. Mir ist ja auch wichtig, dass das Foto nicht gekünstelt wirkt.

Unsere Medien geben oft zu wenig die gesellschaftliche Vielfalt wieder. Beim Shooting für die Führungsfrauen war uns Diversität ein Anliegen. Wie sind Sie zu den beiden Models gekommen?

Ich habe nach zwei Schauspielerinnen gesucht, im richtigen Alter, so um die 50, und dann fand ich zufällig Ilknur Boyraz, die Familie kam mal aus der Türkei, und Chun Mei Tan hat chinesische Wurzeln. Die leben hier, sind hier geboren und dann denke ich mir: „Die Gesellschaft ist längst so.“ Das fand ich total cool, dass man manchmal nicht extra sagen muss: „Wir brauchen jemand, der divers aussieht.“ Wir haben gar nicht aktiv so gesucht. Es ist von alleine gekommen, man muss es manchmal nur zulassen.

 

Diese Selbstverständlichkeit spiegeln  die Bilder wieder. Vielen Dank für Ihre Arbeit!

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