Fotoprojekt Femizid:
Elli ist tot
Femizid: Was bedeutet das? Der Begriff beschreibt ein Hassverbrechen an einer Frau, weil sie eine Frau ist.
Fotos von
Laura Volgger
Das Fotoprojekt
Wir lernten Laura Volgger und Katrine Mosbæk über unseren Blogpost „Neue Bildsprache für Frauenhäuser“ kennen. Katja Kemnitz hatte über die Zusammenarbeit der Neuen Schule für Fotografie mit dem Netzwerk der brandenburgischen Frauenhäuser e.V. für den eigens geschaffenen Creative Fotopool „Empowering Connections“ berichtet. Im letzten Absatz bedauert Maren Küster vom Frauenhaus-Netzwerk, dass zum Bebildern von Femiziden Fotos fehlen.
Es sei ein sehr schwieriges Thema, sagten uns einige Fotografinnen. Warum also nicht mit den beiden Studentinnen weiterarbeiten? Sissel Thastum, Fotografin aus Dänemark, die das erste Projekt professionell betreut hatte, übernahm erneut die Leitung.
Bei der Bildermächtig-Fachkonferenz im November 2023 hatten wir auch Prof. Christine Melzer eingeladen. Sie hat für die Otto Brenner Stiftung 2021 die Initialstudie veröffentlicht: „Tragische Einzelfälle? Wie Medien über Gewalt an Frauen berichten“. Gemeinsam mit ihr haben Fotografinnen in einem Workshop während der Konferenz einen Leitfaden für bessere Medienbilder zum Thema der Partnerschaftsgewalt erarbeitet: Grundlage auch für die zwei Bildermächtig-Fotoprojekte zum Femizid.
Die Symbolik
Der Stuhl auf dem die Getötete in der Küche saß, ist leer. Ihre Handtasche, die sie immer bei sich trug – die Einkaufstasche, in der sie das Essen für die Familie nach Hause trug – ihr kleiner Rucksack mit den Sportsachen fürs Fitnesscenter – sie symbolisieren die Frau, die es nicht mehr gibt.
Feli ist tot, Elif auch.
Femizid passiert überall.
Für andere geht das Leben weiter.
Hilfetelefon gegen Gewalt an Frauen: 116 016
Übrig bleibt die Tasche der Frau. Und die Trauer.
Laura Volgger: „Fotografie sollte ihr politisches Potential mehr nutzen“
Über die Fotografin
Laura Volgger ist Prädoc-Mitarbeiterin am Center für interdisziplinäre Geschlechterforschung der Universität Innsbruck. Neben ihrer Forschung zu sexualisierter Gewalt und (queer-)feministischer politischer Theorie arbeitet sie seit ihrer Fotoausbildung in Berlin als freischaffende Künstlerin. Sie stammt aus Südtirol und lebt zwischen Innsbruck und Berlin.
Sie haben sich zuerst mit dem Fotoprojekt zur Partnerschaftsgewalt beschäftigt und nun mit dem Femizid. Woher kommt das Interesse?
Es ist zweifelsohne ein unangenehmes Thema, bei dem es leichter wäre wegzuschauen, sich dem gesamtgesellschaftlichen Umgang anzuschließen und einfach nicht zu handeln. Was zur Gewalt an Frauen und feminisierten Personen in den Medien transportiert wird, und was wir deshalb sehen, ist nur die Spitze des Eisbergs. Was Frauen und Mädchen vorher an Diskriminierung erleben, an Sexismus auf der Straße, was sie sich an sexistischen Witzen anhören müssen, dass sie für gleiche Arbeit schlechter bezahlt werden, das ist alles Teil eines Systems. Es scheint zum Beispiel immer noch wie ein sozialer Vertrag zu sein, dass Frauen die unbezahlte Sorgearbeit leisten, tatsächlich aber diskriminiert und verletzt das Frauen systematisch.
Sie arbeiten politisch mit der Kamera?
Mir ist es wichtig, das Verständnis zu schärfen und aufzuzeigen, wo Zusammenhänge bestehen, auch zwischen vermeintlich unterschiedlichen Gewaltformen. Ich versuche mich diesem Punkt visuell, mit der Kamera anzunähern. Das Verständnis kann so nochmal anders geschärft werden.
Welche konzeptionelle Idee hatten Sie für das Projekt Femizid?
Die ursprüngliche Idee war gleich, einen Alltagsgegenstand, einen scheinbar privaten zu verwenden: einen Küchenstuhl. Der häusliche Raum ist immer noch für viele der gefährlichste, der tödlichste Raum. Und diesen öffentlich zu platzieren, um so auf unbequeme Art zu zeigen: Das Private ist gar nicht so privat, wie Ihr glaubt, sondern hochpolitisch. Das geht uns alle an, das ist Teil der Öffentlichkeit.
Wir haben diese Idee dann gemeinsam weiterentwickelt.
Ich fand, es lohnte sich, dieser Idee nachzugehen: Was passiert, wenn dieser Alltagsgegenstand auf der Straße steht, auf einem Gehweg? Das Leben geht weiter, Menschen laufen drum herum und schauen kollektiv weg. Weg von der Gewalt. Was ein Skandal ist. Dass es immer so viele Mitwissende gibt, oder auch Ahnende, die aber die Signale nicht erkennen. Oder die bewusst schweigen.
Um das zu verdeutlichen sollten Menschen im Bild vorkommen, die aber nicht klar erkennbar sind. Sie sollten vorbeilaufen, nicht anhalten und damit die Gleichgültigkeit repräsentieren, dieses Nichthandeln.
Wie schwer ist es, Neues zu entwickeln?
Die stereotype Bildsprache ist auch beim Bilderschaffen sehr präsent. Bei unserem vorherigen Fotoprojekt zur häuslichen Gewalt haben wir viel Zeit investiert, um uns von den klassischen Bildern zu lösen. Wir haben uns an diese Symbole so sehr gewöhnt, obwohl sie verletzend und stigmatisierend sind. Sie verkennen, wieviel Kraft eine Person hat, die sich aus einer Gewaltbeziehung befreit, auch wenn sie jahrelang darin steckt. Diese Fäuste und das Zusammenkauern, das verletzt nicht nur. Es zeigt auch keine Lösungswege auf. Es fehlen positive Momente, die helfen könnten, aus der Gewalt auszubrechen. Das sollte aber ein Auftrag von Fotografie sein. Fotografie sollte ihr politisches Potential mehr nutzen.
Auf einigen Stühlen steht deshalb die Telefonnummer des Hilfetelefons?
Die Information ist oft nicht so leicht zugänglich. Ich dachte mir, wenn die Nummer auf dem Bild steht, ist es vielleicht der Denkanstoß: „Das könnte mir helfen: Einfach anrufen, die Nummer wählen“.
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