Jedes Jahr wird am 26. April der internationale Tag der lesbischen Sichtbarkeit begangen. Ziel dabei ist es, das Leben lesbischer Frauen, ihr Begehren und ihren Alltag in den Blick zu rücken. Sonya Winterberg, Chefredakteurin von L-MAG, berichtet für uns: Wie steht es mit dem Bild der Lesben in den Medien?
Gerade ist das L-MAG – Magazin für Lesben , die größte Publikation für queere Frauen im deutschsprachigen Raum, mit einem Schwerpunkt zur Europawahl erschienen. Darin stellen wir unter anderem lesbische* und bisexuelle* Kandidat*innen aus ganz Europa vor, die sich um einen Sitz im Europaparlament bewerben. Sie kommen aus allen Ecken der EU, sind unterschiedlichen Alters, thematisch breit aufgestellt und in der Mehrheit politisch links oder grün. Dabei ist es nicht so, dass es im bürgerlichen Lager keine queeren Frauen gäbe – aber aus Sorge um das Ansehen bei den konservativen Wähler*innen bleiben diese dann doch lieber im Besenschrank. Sie zu zwangsouten, sehen wir nicht als unsere Aufgabe, auch wenn es schwer fällt zu verstehen, was am Lesbischsein im Jahr 2024 noch anrüchig sein soll.
Aber es geht um mehr. Denn gerade weil Lesben in der Vergangenheit marginalisiert wurden, haben sie heute allen Grund ihre Sichtbarkeit zu feiern. Von der heteronormativen Gesellschaft ignoriert zu werden, war früher Segen und Fluch zugleich. So kriminalisierten viele Gesetze zwar schwule Männer, befassten sich aber gar nicht erst mit Lesben, die unsichtbar blieben. Statistisch gesehen sind schwule Männer zudem häufiger Opfer von Hassverbrechen und Gewalt. Allerdings ist einzuschränken, dass in den Statistiken zu Vergewaltigungen bei Frauen die sexuelle Identität und Orientierung der Opfer meist nicht erhoben wird. Inzwischen lassen sich die Bilder lesbischer Frauen in den Medien ganz gut kategorisieren.
Junge Lesben als Werbezielgruppe
Im Umfeld unserer Leser*innen und Autor*innen sehen wir beides: Nach wie vor Stereotypisierungen und Anfeindungen, wie sie alle LGBTIQ*-Personen erleben. Aber auch eine Welt, die in den letzten zwanzig Jahren zunehmend offener und toleranter geworden ist. Egal wie sie sich selbst bezeichnen (als queer, enby, futch, genderfluid, non binär oder trans, um nur ein paar mögliche Zuschreibungen zu nennen) sind sie Teil von Communities, in denen sie sich selbst nicht ständig erklären müssen und sowohl Rat als auch Schutz finden. In Großstädten wie Berlin oder Köln sind Regenbogenfamilien inzwischen gang und gäbe. Junge Lesben, die auch früher schon im Stillen Familien gründeten, sind heute sogar eine bevorzugte Zielgruppe von Kinderwunschkliniken etwa in den Niederlanden, Dänemark oder Spanien. Sie tauchen nun selbst in der deutschen Werbung auf. Aber auch wenn es um Wohnraum geht, so etwa in Berlin:
Lesbenhetze – made by Bildzeitung
Doch das war nicht immer so. So wurde beispielsweise 1974 in Itzehoe ein Strafverfahren zu einem Schauprozess gegen lesbische Frauen und ihre angeblich damit verbundene Kriminalität.
Die beiden Frauen, Judy Andersen und Marion Ihns, heimlich ein Paar, waren angeklagt, gemeinschaftlich den Mord an Ihns Mann in Auftrag gegeben zu haben. Der Richter ließ im Gerichtssaal Fotokameras zu, damit während der Verhandlung fotografiert werden konnte, obwohl die Strafprozessordnung dies verbietet. Bis heute einmalig in der deutschen Rechtsgeschichte. Insbesondere die BILD hetzte täglich gegen die beiden Angeklagten in Wort und Bild. Ohne einige Aktivistinnen der Frauen- und Lesbenbewegung, die zum Prozess fuhren und sich dort während der Verhandlung in T-Shirts mit dem Aufdruck „Gegen geile Presse, für lesbische Liebe“ präsentierten, wäre die BILD-Berichterstattung unwidersprochen geblieben. Alice Schwarzer nennt diesen Prozess einen wichtigen Auslöser für die Gründung der EMMA 1977.
Entweder Sexobjekt oder Kampflesbe
Doch auch die jüngste Vergangenheit bietet nach wie vor Beispiele. Noch 2019 erzählte die deutsche Fußball-Schiedsrichterin Nadja Pechmann der Frankfurter Rundschau, dass sie bei Spielen zwischen Männermannschaften böse Sprüche erdulden musste: „Entweder wurde ich als Sexobjekt dargestellt oder als Kampflesbe.“ Beim Googlen des Begriffs „Kampflesbe“ ist ihr Foto unter den ersten Treffern, gefolgt von Verlegerin Manuela Kay, meiner Vorgängerin als Chefredakteurin des L-MAG.
Womit wir bei den Kategorien wären, in denen Lesben heute abgebildet werden. Dass die Mainstream-Medien inzwischen ein nuancierteres und genaueres Bild von queeren Frauen und Vielfalt innerhalb der lesbischen Community haben, ist unter anderem sicherlich Serien wie „The L-Word“ oder der Sitcom „Ellen“ (mit Ellen Degeneres) zu verdanken, wo es zum ersten lesbischen Kuss der Fernsehgeschichte kam. Mit jeder Lesbe, die im Rampenlicht stand (sogenannte „Celesbians“) und ihr Begehren öffentlich machte, schien die Akzeptanz, zumindest medial, zu steigen. Das Spektrum reicht von der Rolle der Tanja Schildknecht, die in der biederen ARD-Lindenstraße ihr Outing hatte, über Moderatorin Anne Will und ihre langjährige Lebensgefährtin Miriam Meckel bis hin zu Schauspielerinnen wie Ulrike Folkerts, Maren Kroymann oder Hella von Sinnen. Sie alle halfen mit, das Image von Lesben aus der Schmuddelecke zu holen. Auch L-MAG, inzwischen seit über zwanzig Jahren am Markt, wird inzwischen an den Kiosken nicht mehr als Pornografie eingeordnet, sondern unter die Frauenzeitschriften.
Lesben in Mainstream-Medien
Fotografische Referenzen lesbischer Frauen gibt es unzählige. Spannend ist jedoch, welche Bilder es in den Mainstream schaffen. Als Kristen Stewart als „schwule Lesbe“ auf dem Cover der Rolling Stone zu sehen war, überschlugen sich rechtskonservative Kommentatoren in ihrem Hass. Die Community feierte sie freilich und macht klar, dass Lesben kein Interesse daran haben, Männerfantasien zu bedienen.
Wer sich auf Bildersuche zum Begriff „lesbisch“ begibt, wird häufig das ewig gleiche Motiv finden: zwei Frauen küssen einander, liegen Arm in Arm im Bett oder halten Händchen. Die Lesbe an sich ist also in erster Linie im Doppelpack zu finden. Davon können auch wir uns als Lesbenmagazin nicht wirklich frei machen: eine unserer beliebtesten Rubriken ist das K-Word – eine online Klatschspalte, die jeden Freitag die News aus der Promi-Lesbenwelt berichtet, natürlich auch mit Fotos derer, die sich frisch gefunden (oder auch getrennt) haben.
Vielfältigere Darstellungen finden sich erst dann, wenn der Suchbegriff „queer“ eingegeben wird, eben auch von nicht-binären Paaren und trans Personen. Allen Suchbegriffen gemein, wie übrigens auch bei „homosexuell“, ist die Regenbogenflagge als Symbol omnipräsent. Selten finden sich Fotos, die Lesben zeigen, als das, was sie auch sind: erfolgreiche Frauen mit einer Identität, die nicht in das binäre Geschlechterschema passen.
Zu den Positivbeispielen, die ich auch gerne anführen möchte, gehört die große Reichweite eines unserer letzten Titelbilder mit dem Ministerinnenpaar Katja Meier (Staatsministerin für Justiz in Sachsen) und Josefine Paul (Familienministerin in NRW), beide Bündnis90/Grüne. Als sie kürzlich auf Instagram ihre anstehende Heirat bekanntgaben, nahm selbst die FAZ das Foto der beiden mit dem L-MAG-Cover in ihre Berichterstattung auf.
Was mich zu meinem letzten Punkt bringt. Auch vor Lesben macht die KI nicht halt. Katrin Kremmler ist eine deutsche Vorreiterin, die immer neue künstlich generierte Bilder, zum Beispiel von älteren „Dieseldykes“, kreiert. Von sich aus kennt die KI solche Bilder nicht. Ihr muss erst noch beigebracht werden, was sich hinter sexueller Identität und gewissen Vorlieben verbirgt. Die ersten Ergebnisse sind erstaunlich.
Sichtbarkeit ist wichtiger denn je. Sich in Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, in Stars und Politiker*innen wiederzufinden, gibt einer Community Sicherheit und das Gefühl, ein ganz normaler Teil der Gesellschaft zu sein. Als Medienschaffende ist es unsere Aufgabe, Lesben in ihrer ganzen Vielfalt zu zeigen – und das nicht nur am Tag der lesbischen Sichtbarkeit.
Lesbische Fotografinnen und ihre Werke
Toni Karat (Berlin)
Melting Points Images
Sabine Wunderlin (Schweiz)
Frauen/Lesben
Karolina Jackowska (Polen)
People in Love
Jennifer Gillmor (USA)
Hot Shots
Jill Posener (USA)
Portraits/ On our backs
Sonya Winterberg
Gastautorin
Bevor sie im Dezember 2022 Chefredakteurin von L-MAG – Magazin für Lesben, wurde, schrieb sie bereits viele Jahre für das Heft, das im Berliner Special Media Verlag erscheint. Die freie Publizistin arbeitet außerdem als Regisseurin im Dokumentarfilm und schreibt Sachbücher. Zuletzt erschien von ihr „Gebrauchsanweisung für Kanada“ im Piper Verlag.
Weiterlesen: Lesben in den Medien
Der Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) hat mehrere Studien zur Darstellung von LSBTI in den Medien zusammengetragen.