Textlabor #12
Viele Männer, eine Frau
Wie ist das, wenn es in einer Gruppe nur eine einzige weibliche Person gibt? Ein typisches Textproblem in Berichten über Preisverleihungen, im Bereich der Wissenschaft und dann, wenn es um „Männerberufe“ geht. Aus dem schulischen Bereich erhielten wir diese Frage:
Wenn in einer Unterrichtsstunde oder bei externen Veranstaltungen nur eine Schülerin anwesend ist und alles andere Schüler sind – wie soll ich es mit der mündlichen Begrüßung halten oder bei anschließenden Berichten über das Ereignis?
Schön, dass Sie fragen. Wenn Sie einfachheitshalber nur von Schülern schreiben würden, würden wir gar nicht erfahren, dass zu dieser Klasse auch eine Schülerin gehört. Das ist das typische Problem des generischen Maskulinums: Es gibt uns falsche Informationen.
Kommen wir zur ersten Frage – die Begrüßung. Sprechen Sie alle direkt an, das ist doch einfach:
„Guten Morgen, wie geht es Euch?“
„Schön dass Ihr alle da seid, oder fehlt jemand?“
„Seid Ihr alle fit, dann können wir ja loslegen.“
Dass da auch eine Schülerin sitzt, müssen Sie so nicht extra erwähnen. Warum auch?
Anders ist es in Berichten, Ihrer zweiten Frage, wenn Sie also ein Ereignis schriftlich festhalten. Wie wäre folgende Lösung, die wir uns beispielhaft überlegt haben:
„Am Unterricht nahmen neun Schüler und eine Schülerin teil, drei Schüler fehlten entschuldigt wegen Krankheit. Die Anwesenden arbeiteten konzentriert an den gestellten Aufgaben. Manche stellten Nachfragen. Als die Bearbeitungszeit um war, hatten drei die Arbeit noch nicht beendet. Dagegen waren Maren Peters und Ali Hussein besonders schnell und gaben den Test drei Minuten vor Zeitablauf ab.“
Sie merken folgende Technik: Am Anfang wird geklärt, wer die Anwesenden sind, auch mit der geschlechtlichen Zuschreibung. Danach geht die Beschreibung geschlechtsneutral weiter. Sobald es erforderlich ist, wird im weiteren Textverlauf konkret über die Schülerin geschrieben, hier mal mit Namen, das wirkt dann weniger betonend als „die Schülerin“.
Auf diese Weise geben Sie die erforderlichen Informationen. Sie nutzen die Möglichkeiten der deutschen Sprache, ohne diese zu verbiegen.
Wenn aber der Sachverhalt bedeutsam ist, sollten Sie das auch zum Thema machen: „Als einziges Mädchen bzw. als einzige Frau in der Klasse …“ (Wie fühlt sich das für sie an? Meint sie, dieser Kurs sei auch für andere Mädchen und Frauen geeignet? Wie ist das Verhältnis zu ihren Mitschülern etc.)
Bei Studentinnen und Studenten hat sich das Wort „Studierende“ als geschlechtsneutrale Alternative etabliert. Für Schüler und Schülerinnen gibt es keinen vergleichbaren Begriff. Bei Jüngeren würde das neutrale Wort „Schulkinder“ passen, außerhalb des schulischen Kontextes bietet sich ab dem 13. Lebensjahr das Wort „Jugendliche“ oder „Teenager“ an – je nachdem, was Sie sagen wollen. In unserem Beispieltext weichen wir auf „die Anwesenden“ aus.
Alternativ können Sie das Gendersternchen benutzen: „die anwesenden Schüler*innen“. In Ihrem Fall mit einer einzigen Schülerin wäre es aber wieder ungenau, der gleiche Effekt wie beim generischen Maskulinum. Es ist nicht zu erkennen, dass nur eine weibliche Person am Unterricht teilnimmt. Wir haben aus Gründen der Exaktheit die geschlechtliche Verteilung mit Zahlen verdeutlicht.
Wenn in Ihrer Klasse Personen sind, die trans-, intergeschlechtlich oder nicht-binär sind, kann es angebracht sein, den Genderstern zu verwenden. Er markiert die geschlechtliche Vielfalt und nicht nur männliche und weibliche Personen in der Kurzform eines Wortes. Am besten ist es, Sie fragen diejenigen im vertraulichen Gespräch, wie Sie es halten sollen. Als Pädagogin oder Pädagoge wissen Sie, wann die Person alt genug ist, selbst über ihr Outing zu entscheiden und wann es besser ist, das mit den Eltern zu klären. Manche, die sich als nicht-binär begreifen, möchten, dass das ausdrücklich berücksichtigt wird, andere sind damit zurückhaltend.
Hat Ihnen das geholfen?
Ihr Team Genderleicht
Rat und Expertise
Mitten im Sprachwandel gab es viele Fragen zum geschlechtergerechten Schreiben und Sprechen. Das Team Genderleicht hat zwei Jahre lang viele Zuschriften beantwortet. Wir haben fachlichen Rat recherchiert und uns am allgemeinen Sprachgefühl bei unseren Anregungen und Empfehlungen orientiert. Wir finden: Zum Gendern ist alles gesagt. Eine Antwort auf Ihre kniffelige Frage finden Sie bestimmt hier im Textlabor.