Textlabor #17
Gendergerecht moderieren
Gendersensibel zu sprechen hat seine Tücken.
Wir erhielten eine Frage dazu, wie eine Veranstaltung im akademischen Umfeld moderiert werden könnte. Die Zuhörerschaft ist gemischt – jüngere wie ältere Leute. Der Moderator möchte gendergerecht sprechen:
Ich plane das „-innen“ in den Worten abzusetzen, mit dem stimmlosen, glottalen Verschlusslaut, vermute aber, im konservativ-traditionellen Publikum werden viele das „innen“ als rein weibliche Form interpretieren, weil sie die Sprechregel des Verschlusslautes nicht kennen.
Gibt es eine alternative Aussprech-Regel, die allen Geschlechtern gerecht wird und nicht für Konfusion sorgt?
Leider nein, die gute, alte Beidnennung ist fürs gendergerechte Sprechen immer noch das Beste. So sprechen Sie Frauen und Männer an. Und es geht uns allen flott von den Lippen. Menschen, die sich als divers verstehen, sind damit allerdings nicht umfasst. Da hilft es nur, sie direkt einzubeziehen. Machen Sie schon in Ihrer Begrüßung deutlich, dass Sie zu allen Geschlechtern sprechen möchten – indem Sie eine neutrale Form wählen:
„Schön dass Sie alle da sind, ich begrüße alle sehr herzlich!“
Nehmen Sie sich dann für einen kurzen Moment Zeit, über Diversität und Geschlechtergerechtigkeit zu sprechen. Erklären Sie den glottalen Verschlusslaut und die Ähnlichkeit zum generischen Femininum und dass es nicht schlimm ist, beim Hören mal zu glauben, es ginge nur um Frauen. Dieses Übersetzen des Gehörten – „Ich bin mitgemeint“ – leisten Frauen beim generischen Maskulinum stets und ständig.
Rechnen Sie auch damit, dass sich im Verlauf Ihrer Veranstaltung jüngere Menschen zu Wort melden und ganz selbstverständlich mit dieser Minilücke sprechen. Allen, die die Sprechweise noch nicht kennen, hilft es, wenn Sie vorab erklärt haben, was sie bedeutet.
Nach einem solchen Intro können Sie selbst mit dem Glottisschlag sprechen und ruhig auch immer wieder zur Beidnennung wechseln. Wichtig ist, dass Sie Ihre Bereitschaft zum gendersensiblen Sprechen zeigen. Perfektion erwartet niemand. Wir sind mitten in einem Sprachwandel und haben bisher keine allumfassende Lösung gefunden.
Wir haben ein paar praktische Tipps für Ihre Moderation:
Legen Sie sich vorab geschlechtsneutrale Begrifflichkeiten und Formuliertechniken zurecht, dann geht das im spontanen Sprechen einfacher.
Beispiele:
Schüler*innen: alle, die unsere Schule besuchen / wer hier die Ausbildung macht
Dozent*innen: Lehrkräfte / Lehrpersonal / alle, die Ihnen hier etwas beibringen
Unterstützer*innen: Menschen, die Sie oder eine wichtige Sache unterstützen
Direktor*innen: Schulleitung / Institutsleitung
Denken Sie auch an Partizipien. Allerdings sind viele noch gewöhnungsbedürftig:
Dozierende / Teilnehmende / Unterstützende
Und dann noch dies: Je mehr Sie in direkter Rede sprechen, im Du– bzw. Ihr-Modus oder mit dem höflichen Sie, desto weniger schließen Sie eine Person aus, weil Sie sie nicht korrekt benennen.
Wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Moderation!
Ihr Team Genderleicht
Linktipp:
Auf unserer Seite Sprechen finden Sie ein Hörbeispiel für den Glottisschlag, oder auch: „Sprechen mit Lücke“.
Nachtrag:
Diese Frage haben wir im Oktober 2019 in dieser Weise beantwortet. Im Laufe des Jahres 2020 haben immer mehr Menschen begonnen, den Glottisschlag zu nutzen. Er hat eine gewisse Popularität erhalten. Auch wenn nicht alle diese Sprechweise gutheißen, so ist der tiefere Sinn doch halbwegs bekannt.
Rat und Expertise
Mitten im Sprachwandel gab es viele Fragen zum geschlechtergerechten Schreiben und Sprechen. Das Team Genderleicht hat während der ersten Projektphase 2020/21 viele Zuschriften beantwortet. Wir haben fachlichen Rat recherchiert und uns am allgemeinen Sprachgefühl bei unseren Anregungen und Empfehlungen orientiert. Wir finden: Zum Gendern ist alles gesagt. Eine Antwort auf Ihre kniffelige Frage finden Sie bestimmt im Textlabor.